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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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helle Haut lief immer noch allzu schnell rot an. »Ich war bloß - Ich hab auf der Treppe gesessen. Das mach ich manchmal gerne.«
    Und du passt auch gerne auf, dass die Weltordnung nicht durcheinandergerät, dachte Kincaid und seufzte innerlich. Diesen Sommer war es zwar schon besser gewesen, aber Kit neigte immer noch dazu, für das Wohlergehen sämtlicher Wesen in seinem Umkreis persönlich die Verantwortung zu übernehmen. »Es war Tante Cyn«, antwortete er, nunmehr ohne eine Spur von Spott in der Stimme.
    Kit runzelte die Stirn. »Wieso hat sie denn dich angerufen?«
    Kincaid warf einen Seitenblick auf Toby, der wieder mit seinem Regenschirm beschäftigt war, und schüttelte schweigend den Kopf. Kit würde von der Nachricht nicht minder betroffen sein als Gemma, aber Kincaid musste Gemma zuerst informieren.
    Ihre Schwester Cyn hatte es nicht tun wollen und stattdessen ihn zum Überbringer der schlechten Nachricht auserkoren. Er wollte ihr aber zugutehalten, dass sie es vielleicht einfach nicht über sich gebracht hatte, darüber zu sprechen.
    Die Ergebnisse der Knochenmarktests waren da, hatte Cyn gesagt. Weder sie selbst noch Gemma oder irgendeines ihrer Kinder kamen als Spender in Frage. Und der Zustand ihrer Mutter Vi hatte sich verschlechtert.
     
    Gemma stand im Flur, und die Stille des Hauses senkte sich auf sie herab wie der Nachhall eines Seufzers. Sie kam sich plötzlich fehl am Platz vor, wie ein Eindringling in einem jäh unterbrochenen Leben.

    Aber nachdem sie sich mit Duncan und den Jungs abgestimmt hatte, war sie nun auch entschlossen zu halten, was sie Tim und Alia versprochen hatte. Am besten sah sie sich erst einmal im Haus um, bevor sie anfing herumzutelefonieren.
    Sie begann mit dem Fahrrad, das so geschickt zwischen der Haustür und der Treppe geparkt war. Es war ein Herren-Rennrad, allerdings nach ihrer relativ laienhaften Einschätzung weder allzu neu noch übermäßig teuer. Wie der Rest des Hauses machte es den Eindruck, als würde es ausgiebig genutzt, aber auch gut gepflegt. Auf die Seite des schlichten, funktionalen Helms hatte jemand ein Blumen-Abziehbild geklebt - Charlotte, wie Gemma vermutete; und dass Naz den Aufkleber nicht entfernt hatte, sagte in ihren Augen etwas über ihn aus. Und wenn Naz das Fahrrad regelmäßig benutzte, so fragte sie sich, warum war er dann an diesem Tag nicht damit gefahren?
    Gemma strich mit den Fingern über den untersten Pfosten des Treppengeländers, zögerte ein wenig und beschloss dann, mit dem Wohnzimmer anzufangen. Sie trat durch die offene Tür und blieb stehen, um die Eindrücke aufzunehmen, die sich ihr boten. Der Dielenboden des Treppenhauses setzte sich ins Wohnzimmer fort. Er sah aus, als könnte er ein Teil der ursprünglichen Ausstattung des Hauses sein, genau wie die massiven Holzläden, die die untere Hälfte der Flügelfenster bedeckten.
    Die Wandverkleidung, die Fensterläden, die Einfassung des Kamins - alles war schlicht und im gleichen Zartgrün gestrichen. Das Sofa und die weichen Sessel waren in einem helleren Ton bezogen. Ein großer Petit-Point-Wollteppich, dessen Farben so verblasst waren, dass das Blumenmuster kaum noch zu erkennen war, schützte das Parkett unter den Möbeln. Aber hier endete die neutrale Farbpalette auch schon.
    Stillleben mit Blumen, viele davon ungerahmt, waren ringsum auf dem Sims der halbhohen Wandverkleidung aufgestellt.
Der Effekt war eigentümlich, aber ansprechend; die Proportionen der georgianischen Architektur mit ihren hohen Decken wurden dadurch gewissermaßen auf ein menschlicheres Maß zurechtgestutzt.
    Im Raum verteilt standen große Körbe zum Einsammeln von Spielsachen; aus einem jedoch schien ein zerschlissener Stoffaffe einen gescheiterten Fluchtversuch unternommen zu haben. Sein Fuß hatte sich am Rand des Korbs verfangen, und er hing kopfüber da, die gestickten Gesichtszüge zu einer überraschten Grimasse erstarrt.
    Die Lampen und Tische waren schlicht, doch von der Decke hing ein mit Kerzen bestückter Messingkronleuchter, und in mehreren Wandleuchtern steckten ebenfalls Kerzen.
    Ein weiterer Korb an einem Ende des Sofas enthielt stapelweise Zeitungen, deren Papier schon zu vergilben begann. Gemma berührte das oberste Blatt mit dem Finger - als sie ihn wegnahm, war die Kuppe mit Staub bedeckt. Sie sah, dass es sich um ein Exemplar des Guardian von Mitte Mai handelte.
    Auf der anderen Seite des Kamins war mit einer Chaiselongue und einer Stehlampe eine Leseecke eingerichtet worden.

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