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Wenn die Wale an Land gehen (German Edition)

Wenn die Wale an Land gehen (German Edition)

Titel: Wenn die Wale an Land gehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Aehnlich
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Aufsicht lassen. Rilke machte es seiner Mutter leicht und schlief tief und fest. Doch dann kamen die ersten Krankheiten. Als Ausweg blieben ihr nur die Eltern. Sie hatte es unbedingt vermeiden wollen, niemals sollte ihr Sohn an jenem Ort aufwachsen, von dem sie geflohen war, doch sie konnte nicht von ihrer Theatersehnsucht lassen. Es war ein schleichender Prozess. Als sie es bemerkte, war es zu spät. Die Eltern forderten Rilke regelrecht ein, warfen ihrer Tochter Vernachlässigung vor und drohten mit der Polizei. Manchmal gab sie nach, weil sie wusste, dass es besser war, wenn er nicht allein blieb, aber wenn sie dann nach der Vorstellung nach Hause kam und das leere Bettchen sah, wurde sie so traurig, dass sie sich betrinken musste.
»Schwester,
    es wäre schön, wenn du kommen könntest. Mir geht’s nicht gut, ständig diese Kotzerei und Müdigkeit. Eigentlich wollte ich das alles mit mir abmachen, aber ich schaff’s nicht. Es ist ein Teufelskreis.
    Übrigens: ›Es ist gut, eine Frau zu sein und kein Sieger‹, schreibt Heimü. Was soll das denn heißen?«
    Laut Frau Pulvers Beschreibung war der Maulwurf ein freundlicher junger Mann in Jeans und Ringelpullover, der sich zuerst als ehemaliger Studienkollege ausgegeben hatte und an Frau Pulvers Tresen gestanden haben wollte. Erst als er auf einige Fragen keine Antwort wusste, offenbarte er den wahren Grund seines Kommens: die Anwerbung Frau Pulvers als Informantin. Er nannte es nicht so, sondern bat um Hilfe beim Aufbau der städtischen Kulturszene. Er versprach Frau Pulver einen Telefonanschluss, zum Zeichen seiner Loyalität auch dann, wenn sie die Zusammenarbeit ablehnen sollte. Schon eine Woche später kamen die Handwerker der Deutschen Post und installierten ein Telefon. Warum sollte sie es nicht annehmen? Frau Pulver hatte sich nichts vorzuwerfen. Ein Telefon zu verschmähen, wäre Sünde gewesen. Es war ein Goldschatz, an dem sie alle teilhaben konnten. Sie lachte über die Dummheit der Staatssicherheit. Zappa gab zu bedenken, dass eine Wanze installiert sein könnte, daraufhin schraubten sie die Kappen des Hörers ab, sahen aber außer Drähten nichts Verdächtiges. Und so richtig wussten sie auch gar nicht, wonach sie suchen sollten, denn niemand hatte je eine Wanze gesehen. Außerdem, versicherten sie sich gegenseitig, war ihnen das Abhören egal. Sie hatten nichts zu verbergen.
    Nach einem Monat tauchte der Mann im Ringelpullover wiederauf, um bei Frau Pulver nachzufragen, ob sie sich entschieden habe. Frau Pulver sagte ihm, dass sie noch nicht reif für eine Zusammenarbeit sei und mehr Bedenkzeit brauche. Er erkundigte sich nach Rilke und danach, wie sie als alleinerziehende Mutter alles schaffen würde, und fragte, ob sie Hilfe benötigte. Frau Pulver nutzte die Gelegenheit und ließ ihn ein Rollo an ihrem Dachfenster anbringen. Noch tagelang lachten sie bei der Vorstellung, wie der Stasimann bei Frau Pulver gearbeitet hatte, und fortan hieß es immer, wenn etwas zu reparieren war: »Ruf doch mal deinen Handwerker an!«
    Es wurde zum geflügelten Wort. Leider kam der Handwerker auch ohne Reparaturauftrag. Er wollte einfach nur mit Frau Pulver plaudern und Tee trinken, und Frau Pulver verhielt sich getreu der Floskel »Abwarten und Tee trinken!«. Was sollte sie auch tun? Das waren keine Abschnittsbevollmächtigten in filzigen Uniformen, über die man Witze machte. »Warum haben Polizisten eine Hirnwindung mehr als Hühner? Damit sie nicht auch noch auf den Hof kacken!«
    Das waren Typen wie der Mann auf dem Hinterhof, dem Roswitha widerstandslos ihren Fotoapparat gegeben hatte. Zwar war ihr als Triumph und Zeichen ihrer Überlegenheit der Film aus ihrer Jackentasche geblieben. Aber schon wenn sie die Kontaktabzüge betrachtete, hatte sie das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Mick meinte, damit habe die Stasi ihr Ziel erreicht. Wollte sie das zulassen? Er schlug Roswitha vor, die Bilder in einer Ausstellung öffentlich zu machen.
    »Und wo?«, fragte sie. »Soll ich sie an eine Litfaßsäule kleben?« Sie hatten einen langen Streit darüber. Mick war der Ansicht, man müsse um jeden Preis provozieren, um den Handwerkern zu zeigen, dass man sie nicht fürchte. Roswitha warf ihm vor, erwürde sie alle mit seinen Ideen ins offene Messer rennen lassen. Genügte es nicht, wenn Frau Pulver die ›Handwerker‹ hatte? Mick war daraufhin beleidigt und erschien an den nächsten Wochenenden nicht zum Treff bei Frau Pulver.
    Still für sich hatte Roswitha wieder

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