Wenn die Würfel fallen
mich anblickte. Die beiden obersten Knöpfe ihrer
Bluse waren offen, und der Reißverschluß ihres Rockes war nicht ganz
geschlossen. Ihr Haar war zerzaust und der Lippenstift verschmiert. »Ach«,
sagte sie ganz ohne Begeisterung. »Sie sind’s.«
»Ich komme zu der Verabredung,
die ich gestern nacht versäumte«, sagte ich. »Es tut mir leid, daß ich nicht
kommen konnte, aber ich wurde aufgehalten.« Ich wollte an ihr vorbei in die
Wohnung gehen, aber sie stellte sich mir in den Weg. »Kommen Sie doch ein
anderes Mal wieder«, sagte sie. »Ich habe gerade zu tun.«
»Aber Sie können doch die
Staatsgewalt nicht behindern«, sagte ich tadelnd. »Ich bin ein Arm und zwei
Beine des Gesetzes und möchte mit Ihnen sprechen.« Ich legte meine Hände um
ihre Taille, hob sie aus dem Weg und betrat das Wohnzimmer.
Überrascht schnellte Fletcher
von der Couch hoch, zog sein Taschentuch aus der Tasche und versuchte
vergeblich, die Lippenstiftspuren auf seinem Gesicht abzuwischen.
»Ich wußte nicht, daß ich
übernatürliche Fähigkeiten besitze«, sagte ich. »Es gibt Momente, da habe ich
vor mir selber Angst!«
»Man hat überhaupt kein
Privatleben mehr«, sagte Nina verbittert.
»Jederzeit, nur nicht gerade
jetzt«, antwortete ich. »Ich möchte mit Ihnen sprechen.« Ich warf Fletcher
einen vielsagenden Blick zu. »Da nun ein Aufschub eingetreten ist, könnten Sie
sich doch zurückziehen und sich ein bißchen frisch machen, wie?«
Er schaute mich bitterböse an
und murmelte etwas vor sich hin. Dann griff er nach seinem Jackett und ging zur
Tür. Ich mußte daran denken, daß Gabrielle im gleichen Augenblick einen Stock
höher vor seiner Wohnungstür stand. Das würde ein freudiges Wiedersehen geben!
Die Tür fiel knallend ins Schloß, und Nina richtete ihre wütenden Blicke auf
mich. »Was wollen Sie?«
»Unsere Beziehungen scheinen
sich etwas geändert zu haben«, bemerkte ich bedauernd. » Vorgestern
abend luden Sie mich noch zu einem netten Plauderstündchen ein. Wir
wollten über Ihre Sorgen sprechen, und Sie steckten in Ihrem Négligé mit allem Drum und Dran, Habe ich etwas falsch
gemacht?«
»Ich kann vermutlich keinen
Polizisten rufen und Sie hinauswerfen lassen«, sagte sie. »Holen Sie sich
meinetwegen schon einen Whisky, während ich mich ein bißchen zurechtmache.«
»Das klingt schon eher wie die
Nina, die ich zu kennen glaubte«, sagte ich.
Sie verschwand im Bad, und ich
ging zur Bar und goß mir ein Glas ein. Dann setzte ich mich in einen Sessel und
wartete. Fünf Minuten später erschien sie wieder. Sie hatte sich der Knöpfe und
des halboffenen Reißverschlusses angenommen; ihre Frisur war wieder pico bello , und die Konturen ihrer
Lippen waren fein säuberlich nachgezogen. Sie ging zur Bar und goß sich
ebenfalls ein Glas ein.
»Worüber wollten Sie mit mir
sprechen?« fragte sie.
»Über siebzigtausend Dollar«,
antwortete ich. »Wer hat sie — Fletcher?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon
Sie reden!«
»Wir wollen doch nicht
miteinander Versteck spielen«, sagte ich. »Ich kenne die Geschichte von dem
Burschen, der beim Würfeln Glück hatte und dann ganz plötzlich starb, bevor er
die Früchte seines Glückes genießen konnte.«
Sie drehte sich um und schaute
mich an; ihr Gesicht war eine unbewegliche Maske. »Davon weiß ich überhaupt
nichts, Leutnant«, sagte sie mit fester Stimme.
»Ich kann Ihnen nur sagen, daß
der Betreffende auf ehrliche und anständige Weise gewonnen hat«, sagte ich
leichthin. »Das befreit Sie allerdings von dem Verdacht, für den Mord
verantwortlich zu sein, genau wie Fletcher und Torch nun aus der Sache raus
sind.«
»Was soll das heißen?«
»Ist das nicht klar?« fragte
ich. »Das Syndikat hat sich Linda Scott vorgeknöpft und sie auf Sheriff Lavers’
Türschwelle abgeladen, damit es so aussieht, als habe Fletcher es getan.«
Sie trank ihr Glas aus und
stellte es sehr vorsichtig auf die Bar. »Dann brauchen Sie ja nur noch die Burschen
vom Syndikat ausfindig machen, die Linda ermordeten, Leutnant, und der Fall ist
aufgeklärt.«
»Klar«, sagte ich. »Ich hoffe
nur, wir finden sie, bevor Sie an der Reihe sind.«
»Wenn Sie wirklich glauben, daß
ich in Gefahr schwebe, Leutnant, dann sollten Sie mir Polizeischutz geben. Sind
Sie aus diesem Grunde hier?« Ein spöttisches Lächeln spielte um ihre Lippen.
»Für was für eine blöde Gans halten Sie mich eigentlich? Sie glauben wohl, ich
wäre gerade mit einer Ladung Rüben vom Land gekommen?«
»Die
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