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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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ich werde die Karten ganz offen auf den Tisch legen.«
    Guy beugte sich ein Stück vor, um auf diese Weise seine ganze Aufmerksamkeit zu demonstrieren. De Nesle schien dadurch etwas nervös zu werden, denn er stand ein zweites Mal auf und ging erneut im Zimmer auf und ab. Schließlich setzte er sich wieder hin, kratzte sich am Hinterkopf und machte sich daran, Büroklammern zu einer Kette zusammenzustec-ken.
    »Weißt du …«
    »Ja?«
    »Ach, vergiß es«, winkte de Nesle ab. »Paß auf, es ist folgendermaßen …«
    55
    In einer großfranzösischen Provinz namens England (erzählte de Nesle) lebte einmal ein König, und der hieß Richard. Dieser König war so tapfer, daß die Menschen ihn Richard Löwenherz nannten; und in einer Zeit, da die meisten Könige der Nachwelt mit Beinamen wie Karl der Kahle oder Ludwig der Dicke ins Gedächtnis überliefert wurden, mußte dies zumindest als ein Beweis für seine ungeheure Be-liebtheit gewertet werden.
    Allerdings unterschied sich König Richard wirklich von seinen königlichen Kollegen. Wenn sich zum Beispiel zwei Bauern um den Besitz eines bestimmten Schweins stritten und die Angelegenheit vor den königlichen Gerichtshof zur Entscheidung brachten, pflegte Richard am Ende des Prozesses der unterlegenen Partei als eine Art Trostpreis ein Tier aus den königlichen Schweineställen zu geben. Das lag zum einen daran, daß Richard nicht immer den komplizierten Argumenten eines heftig ausgefochte-nen Rechtsstreits folgen konnte und lieber auf Nummer Sicher ging, um eventuelle Ungerechtigkeiten zu vermeiden, und zum anderen daran, daß sein königlicher Vetter Philipp August von Frankreich, der sich auf dem Gebiet der Gerichtsbarkeit sehr viel besser auskannte, dazu neigte, sämtliche solcher Streitfälle zu lösen, indem er so lange nach Verfahrensfehlern in den Plädoyers beider Parteien suchte, bis er die Klage abweisen und das Schwein selbst vertilgen konnte.
    Was König Richard am besten beherrschte, war 56
    das Kämpfen; er galt sogar als der beste Schwert-kämpfer und Reiter seiner Zeit. Das Problem war, daß er keinen Spaß daran hatte. Krieg war ihm ein Verdruß. Er hielt ihn sogar für moralisch fragwürdig, und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er ihn lieber langsam abklingen lassen und ihn durch weniger destruktive Dinge wie Tennis oder gemeinsames Singen ersetzt (zumal er äußerst musikalisch war).
    Unglücklicherweise lebte er, gelinde gesagt, in pri-mitiven Zeiten, und Krieg zählte noch zu den harm-loseren und weniger gefährlichen Unterhaltungsmöglichkeiten, die einem damals zur Verfügung standen; außerdem mußte Richard als größter Ritter der Chri-stenheit zumindest den Schein wahren.
    Hätte er sich plötzlich als Pazifist entpuppt und auf den Schlachtfeldern lieber überall an den Blumen gerochen, wäre er von seinen ehemaligen Bewunderern aller Wahrscheinlichkeit nach schnell in Richard die Tunte umgetauft und auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden.
    Schon aus diesem Grund kam König Richard auf eine prächtige Idee; er organisierte einen Kreuzzug.
    Etwa hundert Jahre zuvor hatte es bereits einen ersten und knapp fünfzig Jahre danach einen zweiten Kreuzzug gegeben. Beim ersten Kreuzzug hatte es sich in erster Linie um den Kreuzzug einer Aktienge-sellschaft mit beschränkter Haftung gehandelt, der von zwei gerissenen französischen Adligen initiiert worden war.
    Dieser Kreuzzug brachte den Kapitalanlegern nach 57
    Abzug aller Kosten siebenundzwanzig Prozent Divi-dende ein und wurde dementsprechend als Erfolg gewertet. Außerdem wurde Jerusalem erobert, aber die allgemeinen Betriebskosten erwiesen sich nach einigen Jahren als wirklichkeitsfremd, und nach einer Umstrukturierungsperiode überließen die Kreuzritter Jerusalem den Sarazenen, zumal es letzten Endes sowieso nie um die Heilige Stadt gegangen war.
    Was nun König Richard betraf, so interessierte er sich bei seinem Kreuzzug ebenfalls weniger für Jerusalem, sondern vielmehr für die Idee, daß es ihm mit ein wenig Geschick und sehr viel Glück gelingen könnte, den König von Frankreich, den Kaiser von Byzanz und den Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, die drei Säulen des Chri-stentums, wenigstens kurzfristig dazu zu bewegen, sich nicht mehr gegenseitig zu verdreschen, sondern ihre erlauchte Energie auf ein gemeinsames Ziel zu richten. Zwar bereitete es ihm Kopfzerbrechen, daß dieses gemeinsame Ziel in erster Linie darin bestehen sollte, Saladin, den Sultan von

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