Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
Fall bringen. Alles klar soweit?«
»Mehr oder weniger ja«, antwortete Guy. »Sehr lecker dieser Portwein.«
»Zum Wohl.« Blondel nahm einen Schluck und fuhr dann fort: »Soweit zur konventionellen Zeitreise. Meine Agenten – die Leute also, die meine Manager geworden sind – entdeckten jedoch noch eine andere Methode, um durch die Zeit zu reisen. Zwar ist diese nicht einmal annähernd so sicher wie die konventionelle Methode, befähigt einen aber, zusätz-74
lich Dinge mit auf die Reise zu nehmen. Die konventionelle Methode läßt es nur zu, daß man ganz allein reist, was furchtbar peinliche Folgen haben kann, wie man mir erzählt hat. Zum Beispiel geht man dabei das Risiko ein, bei der Hochzeit von Königin Vikto-ria aufzutauchen, ohne etwas am Leib zu tragen.
Möchtest du ein Glas?«
»Ja, bitte.«
»Keine Angst, wenn wir diese Flasche hier ausge-trunken haben, dann ist noch genug Vorrat da. Eine ganze Menge sogar. Außerdem, wenn du willst, können wir dieselbe Flasche immer wieder von vorn trinken.«
»Nein, lieber nicht, eine andere Flasche wäre mir dann schon recht.«
»Jedenfalls haben meine Agenten sofort erkannt, daß diese neuartige Form der Zeitreise unendlich viele Möglichkeiten bietet. In kommerzieller Hinsicht, meine ich.
Das Problem war nur: Wenn sie jemandem davon erzählt hätten, wäre es sofort verboten worden; zu gefährlich. Also behielten sie dieses Geheimnis für sich. Offenbar setzten sie ihr Verfahren in erster Linie für alle möglichen finanziellen Transaktionen ein, und das mit großem Erfolg. Ich habe mit solchen Dingen so gut wie nie etwas zu tun gehabt, und deshalb verstehe ich davon nicht viel, aber anscheinend verschieben sie Geld durch die Jahrhunderte hin und her.«
»Und weshalb?«
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Blondel zuckte die Achseln. »Aus steuerlichen Gründen, glaube ich.«
»Ach ja, ich verstehe«, merkte Guy an, was nach seinem Gefühl die Sache hinreichend erklärte.
»Was die normalerweise tun – und du mußt schon entschuldigen, wenn ich die Tempora etwas durcheinanderbringe –, bestand darin, Geld aus der Zukunft zu nehmen und es in den dritten Kreuzzug zu investieren, also König Richards Kreuzzug. Na, verstehst du, was das heißt?«
»Nein.«
»Na gut. Nun, ich bin mir zwar selbst nicht hundertprozentig sicher, aber mir fällt dazu ein: Wenn man eine Menge wertvoller Dinge mit in die Zeit zu-rücknimmt – Goldmünzen und so was, meine ich –
und sie in einem anderen Jahrhundert einzahlt, als es eigentlich vorgesehen ist, dann wird diese Zeit – wie nennt man das doch gleich? – unstabil, ja, sogar lau-nisch. Man geht damit das Risiko ein, das natürliche Gleichgewicht, die Physik oder was auch immer ins Wanken zu bringen. Da diese Leute durch ihre Manipulationen die Zeit gehörig durcheinandergebracht haben, ist meiner Meinung nach der darauffolgende Geschichtsabschnitt völlig falsch verlaufen. Nichts konnte so geschehen, wie es zu geschehen hatte, weil es durch alle möglichen Einflüsse aus der Zukunft auf den Kopf gestellt wurde. Andererseits war es bereits geschehen – weil es eben geschehen ist –, und als Ergebnis davon stellt sich die Geschichte heute so dar, wie sie ist oder damals war.« Blondel kratzte 76
sich am Ohr und fuhr fort: »Jedenfalls glaube ich, daß aufgrund dieses Ungleichgewichts, dieser Unstabilität oder wie auch immer man das nennen will, so etwas wie eine Sicherung durchgeknallt ist. Seit der Kreuzzug entweder stattfinden oder nicht stattfinden konnte, hat die Geschichte einfach die Hände in Unschuld gewaschen und eine klaffende Lücke hinterlassen. Ein Loch, wenn du so willst, und Richard ist dort hineingefallen.«
»Du meine Güte!« staunte Guy.
»Du sagst es.« Blondel trank gedankenversunken sein Glas aus. »Trotzdem tut das jetzt nichts zur Sache. Ich wußte von Anfang an, daß mich meine Agenten auf die Zeitreisen mitnehmen konnten, also habe ich das auch getan. Anstatt nur durch die ganze Welt zu ziehen, bin ich auch durch die Zeit gereist, um so, wie ich es versprochen hatte, den König zu suchen. Und im Grunde tue ich das auch heute noch.«
»Ich verstehe.«
Blondel zündete sich eine Zigarre an und bot auch Guy eine an. »Nimm ruhig eine – schließlich wissen wir noch nicht, ob oder wie schädlich sie für dich in Zukunft sein werden. Jedenfalls habe ich nach einer Weile herausgefunden, wie ich ganz allein, also ohne jede Hilfe meiner Agenten, durch die Zeit reisen kann. Erst zu diesem Zeitpunkt kam ich
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