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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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dem Truppenführer Titus Labienus zusammen, der rückwärts gefährlich ins Taumeln geriet, auf dem nassen Rasen den Halt verlor und schließlich rücklings zu Boden stürzte. Unter großer Anstrengung erlangte der Eindringling das Gleichgewicht zurück und wollte gerade seine Flucht fort-setzen, als Cäsar seinen langen Arm ausstreckte und ihn am Ohr festhielt.
    »Aua!« schrie der Eindringling und blieb wie erstarrt stehen.
    »Was zur Hölle bildest du dir eigentlich ein, hier einfach reinzuplatzen, wenn ich eine … ?«
    »Loslassen!«
    Diese Aufforderung stammte von dem zweiten Eindringling, der etwa zehn Meter von der Eiche entfernt stehengeblieben war. Obwohl sich ihm eine ganze Horde Soldaten bedrohlich näherte, schien ihn das nicht im geringsten zu stören, und er zeigte unverdrossen mit einem kleinen schwarzen Gegenstand aus Eisen auf Cäsar.
    »Loslassen!« wiederholte er.
    »He! Was glaubst du eigentlich, mit wem du hier redest?« rief Cäsar erzürnt zurück.
    Der bunter gekleidete Eindringling wand sich un-260
    ter Cäsars festem Griff und brüllte verzweifelt: »Um Himmels willen, Guy! Steck sofort dieses Scheiß-
    ding weg!
    Du weißt doch, was beim letztenmal …«
    »Wenn Sie meinen Freund nicht sofort loslassen«, rief Guy unbeirrt, »dann hat das für Sie unangenehme Folgen!«
    Cäsar blickte ihn ausdruckslos an; dann warf er den Kopf zurück und prustete vor Lachen, wobei er gleichzeitig Blondels Ohr schmerzhaft zwischen den Fingern verdrehte. Der Eindringling mit dem Eisending in der Hand fluchte, dann ertönte ein ohrenbetäubendes Krachen, laut wie ein Donnerschlag. Cä-
    sars Hut flog einen halben Meter in die Luft hoch, wurde von einer Windbö erfaßt und auf den Fluß zu-getragen.
    »Mein Hut!« kreischte Cäsar und schlug die Hän-de auf dem fast kahlen Kopf zusammen, doch eine feuchte graue Haarsträhne konnte er nicht mehr daran hindern, von seinem gelichteten Haupt zu rutschen und sich über das rechte Ohr zu legen. Kurz warf er den beiden Eindringlingen einen haßerfüllten Blick zu, dann rannte er, wie von der Tarantel gestochen, seinem davonfliegenden Hut hinterher.
    »Guy, du alter Vollidiot!« schimpfte Blondel.
    »Jetzt schau dir mal an, was du da angerichtet hast!«
    Sie sahen, wie Cäsar, der nur noch mit der Wie-dererlangung seines Huts beschäftigt war, in den Fluß sprang und losschwamm. Die Strömung war fast zu stark für ihn, doch mit einem gewaltigen 261
    Kraftakt erreichte er das andere Ufer und warf sich mit Triumphgeschrei auf den Hut, der sich in den Zweigen eines verkümmerten Dornbuschs verfangen hatte.
    Der Vorgang war fast vom gesamten Heer mit größter Anteilnahme verfolgt worden. Kaum hatte Cäsar den Fuß ans gegenüberliegende Ufer gesetzt, brachen die Soldaten in einen gewaltigen Freuden-taumel aus, und dreißigtausend Männer brüllten wie aus einer Kehle:
    »Die Würfel sind gefallen! Cäsar hat den Rubikon überquert! Auf nach Rom! Auf nach Rom!«
    Cäsar blickte zu ihnen herüber – den Hut hatte er sich wieder über die leicht abstehenden Ohren gezogen. Wie sehr ihn das alles anödete, stand ihm ins Gesicht geschrieben, und er fluchte leise vor sich hin: »Ach, du dickes Ei! Das glaubt mir kein Schwein …«
    Das Heer hatte bereits mit der Überquerung des Flusses begonnen. Jemand hatte die heilige Fahne mit dem Adler hochgezogen, und die Soldaten sangen das Kampflied der fünfzehnten Legion.
    »Ich habe dich doch gewarnt, oder etwa nicht?«
    schimpfte Blondel mit Guy.
    Die beiden waren jetzt allein in dem völlig verlas-senen Lager. Auf der anderen Seite des Flusses wurde Cäsar auf den Schultern seiner Leibwächter getragen, und ohne jedes Erbarmen ging es nach Rom.
    »Was hast du eigentlich?« wehrte sich Guy. »Ich dachte immer, das sollte alles so passieren.«
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    Blondel schüttelte den Kopf. »In gewisser Weise hast du ja recht, aber trotzdem … Ach, vergiß es.
    Wir sollten zusehen, daß wir hier wegkommen, und irgendwo was trinken gehen.«
    Giovanni lächelte.
    »Leuten in Ihrer Situation sage ich immer, daß Menschen, die vom Rand der Welt gefallen sind und ziellos umhersegeln, eines Tages fast zwangsläufig den Rückweg finden. Und halten Sie es nicht auch für ratsam, wenn Sie in der Zwischenzeit Ihr Geld so gut wie nur irgend möglich für sich arbeiten lassen, damit Sie, wenn Sie schließlich hier rauskommen … ?«
    Der genuesische Kaufmann blickte ihn aus leeren Augen an. Giovanni ließ nicht locker. In seiner Ju-gend, als er nur

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