Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
verbliebenen Haare von hinten nach vorne zu kämmen. Doch 253
drohte der Regen aus der spärlichen Haartracht nasse, über die Ohren hängende Zotteln zu machen.
Deshalb lieh er sich von einem seiner getreuesten Sklaven einen Lederhut, den er sich über die hohen Schläfen zog. Der Regen tröpfelte unablässig von der Krempe herunter.
»Meine Freunde«, begann Cäsar, »wir haben in den letzten zehn Jahren einen weiten Weg hinter uns gelegt.
Als erstes mußten wir Ariovist aus dem Weg räumen; der Mann war ein echter Plagegeist, mehr Raubtier als Mensch, und es war unsere Pflicht, ihn ein für allemal vernichtend zu schlagen. Das führte zur Konfrontation mit den Bellovaken, doch kaum hatten wir sie zur Räson gebracht, probten die Nervier den Aufstand, was zum Konflikt mit den Vene-tern führte und letztendlich bedeutete, es erst mit den Germanen und dann mit den Briten aufnehmen zu müssen. Kurz gesagt, kaum hatten wir irgendwelche Barbaren erledigt und wähnten uns sicher, die Heim-reise antreten zu können, tauchte wie aus dem Nichts ein anderes primitives Volk auf. Ja, man kann sagen, unser Vorhaben zog sich wirklich sehr in die Länge.«
Cäsar hielt inne und wischte sich mit dem Handrücken den Regen aus den Augen. Wie alle Anwesenden bemerkten, wirkte sein Gesicht abgespannt; als würden zehn Jahre Anstrengung auf einmal ihren Tribut verlangen. Wegen des heftigen Winds und peitschenden Regens beugten sich alle ein Stück vor, um seinen Worten besser folgen zu können.
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»Dank der Götter ist das alles nun vorbei; und offen gesagt habe ich auch allmählich die Schnauze voll. Nun gibt es in Rom etliche unverantwortliche Narren, die euch erzählen werden, daß ich die ganze Zeit damit nichts anderes bezweckt hätte, als mich zum Imperator aufzuschwingen, und daß alle diese Schlachten und Eroberungen in Gallien lediglich als Vorbereitung zu einem Militärputsch dienen sollten.
Sobald Gallien befriedet sei, so behaupten die, würde ich mein Heer über den Rubikon nach Italien führen, um dann auf Rom selbst loszumarschieren.«
Cäsar grinste, denn auf diesen Augenblick hatte er die ganze Zeit gewartet.
»Nun, ich habe euch alle heute hier zusammenru-fen lassen, um ein für allemal klarzustellen!, daß ich keinerlei Absicht hege – in welcher Richtung auch immer –, mich zum Imperator zu machen. Ihr wißt genausogut wie ich, daß sofort ein Bürgerkrieg aus-brechen würde, sollte auch nur ein einziger meiner Männer diesen Fluß hier überqueren. Dies zu verhindern, gilt all mein Streben. Ich kehre jetzt zurück, meine Freunde; ich werde den Fluß überqueren, aber allein. Ihr werdet alle hierbleiben und darauf warten, daß euch der Senat einen neuen Befehlshaber schickt. Das war alles. Wegtreten!«
Cäsars Untergebene blickten sich verdutzt an, un-fähig zu glauben, was sie eben gehört hatten. Solange sie sich erinnern konnten, waren sie stets alle davon überzeugt gewesen, es sei nur eine Frage der Zeit, wann Cäsar den entscheidenden Schlag ausführen 255
werde; und nun stand er da und warf all seine Pläne über Bord. Das schwierigste daran war, daß sie alle tief im Innern wußten, daß ihr Heerführer die richtige Entscheidung getroffen hatte. Wenn Cäsars Heer nämlich den Fluß überquert hätte, wäre die Welt nie wieder dieselbe gewesen. Jetzt, da der entscheidende Augenblick gekommen war, waren aber alle derart vom Blitz getroffen, daß sich keiner von der Stelle rührte. Sie standen wie angewurzelt da und warteten darauf, daß etwas passierte.
Und es passierte wirklich etwas. Eine Plane in dem Zelt des Quartiermeisters wurde zurückgeworfen, und zwei Männer kamen heraus, die sich von den anderen römischen Soldaten, die überall im Heerlager herumliefen, ziemlich stark unterschieden.
Einer von ihnen trug eine Fliegerjacke aus Schafsleder und der andere ein scharlachrotes Wams und eine Kniehose. Etliche Legionäre wurden auf die beiden aufmerksam und musterten sie mit argwöhnischen Blicken.
»Du meine Güte, bin ich froh, daß du aufgetaucht bist!« seufzte Guy erleichtert. »Ich hatte mir schon Sorgen gemacht. Danke.«
»Keine Ursache, mein Freund«, antwortete Blondel.
»Immerhin habe ich jetzt schon mal einen von euch beiden gefunden. Das war reine Glückssache, glaub mir.«
»Ehrlich?«
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»So genau weiß ich das allerdings auch nicht«, fuhr Blondel in nachdenklichem Ton fort. »Ich habe auf der griechischen Insel Ägina eine kurze Pause eingelegt, bevor ich mit dem
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