Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
war. George blickte ziemlich verwirrt drein.
Die Dame blieb plötzlich stehen und schaute ihn hilfesuchend an. »Entschuldigung«, keuchte sie au-
ßer Atem.
George nickte heftig. Es war durchaus möglich, daß sie die Taube noch nicht bemerkt hatte.
»Entschuldigung«, wiederholte die Dame. »Wo ist … ähm …«
»Im Arbeitszimmer, Miß«, antwortete George.
»Dort entlang.« Mit der linken Hand wies er ihr die Richtung.
»Wie meinen Sie das?«
»Im Arbeitszimmer, Miß«, wiederholte George.
»Er ist dort gerade eben erst hingegangen, Miß.«
Das Tor in der Mauer sprang erneut auf, und dieses Mal kam ein Mann hindurch.
»Kommen Sie, wir sollten lieber wieder zurückgehen«, forderte der Mann die Dame auf.
Die Dame schnellte herum und rief: »Mister Goodlet!
Was ist denn eigentlich passiert?«
»Auf der Tür zur Bühne stand Kein Zutritt«, antwortete der Mann. »Haben Sie das denn nicht gesehen?«
Die Dame wirkte etwas verunsichert. »Was mei-321
nen Sie damit? Ach, jetzt verstehe ich, das war eine von diesen ganz bestimmten Türen, stimmt’s?«
George räusperte sich respektvoll und sagte: »Er ist im Arbeitszimmer, Sir.«
»Richtig«, antwortete der Mann, doch galt seine Antwort der Dame und nicht George. »Deshalb sind wir hier gelandet. Wir sollten schnell ein Rathaus oder etwas Ähnliches aufsuchen. Mit Glück finden wir noch gerade rechtzeitig zurück. Haben Sie eine von diesen Karten?«
»Wovon reden Sie?«
»Schon gut, also haben Sie wahrscheinlich keine.
Egal.« Der Mann wandte sich von der Dame ab und sagte zu George: »Entschuldigung, aber …«
»Er ist im …«
»… wie kommt man von hier zum Rathaus?«
George runzelte angestrengt die Stirn. »Zu welchem Rathaus, Sir?«
»Vergessen Sie’s. Was ist denn mit einer Polizei-wache? Eine Kaserne, ein Gericht oder irgend etwas in der Richtung tut’s auch.«
George bekam unwillkürlich eine Gänsehaut; in seinem Alter vor Gericht zu landen, und das wegen einer einzigen vergammelten Taube! Er begann laut zu jammern.
Der Lärm war offensichtlich bis zum Arbeitszimmer durchgedrungen, denn Sir Isaac Newton kam heraus. Er hielt sich einen kalten Umschlag an den Kopf und machte insgesamt keinen sonderlich glücklichen Eindruck.
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»Würdest du bitte mit dem Lärm aufhören, George!« beschwerte er sich.
»Entschuldigung«, sagte der Mann in höflichem Ton, »aber vielleicht können Sie uns ja helfen. Wir suchen ein öffentliches Gebäude.«
Sir Isaac blickte die beiden an, als verstünde er die Welt nicht mehr. Dann schoß ihm ein Gedanke durch den noch immer schmerzenden Kopf. »Wenn Sie dringend ein öffentliches Örtchen aufsuchen müssen, dann können Sie das am Ende des Kräutergartens benutzen.«
»Nein, danke«, antwortete der Mann. »Ein öffentliches Gebäude. So etwas wie eine Getreidebörse oder ein Zunfthaus; irgendwas in der Richtung. Etwas, wo es eine Tür gibt, auf der Kein Zutritt steht.«
»Ich … Hören Sie, ich will nicht ungastlich wirken, aber wenn das hier ein Scherz sein soll, dann …«
»Nein, nein!« besänftigte ihn der Mann. »Es handelt sich wirklich um einen Notfall. Wenn Sie uns einfach nur sagen könnten, wo …«
Sir Isaac schloß die Augen; aus Erfahrung wußte er, daß das manchmal helfen konnte. »George, begleite diese Herrschaften zur Stadthalle.«
»Ja, Sir Isaac.«
Der Mann riß erstaunt die Augen auf, musterte Sir Isaac Newtons Kleidung und dessen Perücke, schien einige gedankliche Verbindungen damit zu verknüpfen und fragte: »Sind Sie Sir Isaac?«
»Ja, das ist richtig«, antwortete Sir Isaac. »Und wenn Sie jetzt bitte …«
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»Sir Isaac Newton?«
»Ja. Kennen wir uns?«
Der Mann blickte ihn nun mit einem Gesichtsausdruck an, der so etwas wie Ehrfurcht verriet. » Der Sir Isaac Newton? Der Sir Isaac Newton, der die Schwerkraft entdeckt hat?«
»Sie müssen schon entschuldigen, aber …« Blitz-artig hielt Sir Isaac inne. In seinem durch die Nach-wirkungen der letzten Nacht blockierten Verstand nahm plötzlich etwas Gestalt an. »Schwerkraft!« rief er. »Ja, natürlich!
Das ist es. Schwerkraft!«
Der Mann blickte etwas blöde drein und seufzte:
»Ojemine! Da bin ich ja mal wieder voll ins Fett-näpfchen getreten.«
Sir Isaac aber strahlte übers ganze Gesicht. »Mein lieber Freund, wie kann ich Ihnen das jemals … ?«
Aber der Mann und die Frau waren bereits verschwunden.
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Und die Erde war wüst und leer, und es war finster
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