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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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hinzu. »Hören 310
    Sie, wenn Sie sich mit diesen Stricken etwas beeilen könnten, dann wäre mir schon sehr gedient.«
    Der Mann beugte sich vor und flüsterte: »Das geht schon in Ordnung, Sie können mir ruhig alles erzählen, schließlich bin ich Reporter. Ist hier irgendwas im Busch?«
    »Ja.«
    Dem Mann riß erstaunt die Augen auf – zumindest noch erstaunter als zuvor. »Sie meinen …«
    »Ja, irgendein Komplott oder so was. Und ich muß hier sofort weg, damit ich jemandem etwas furchtbar Wichtiges sagen kann. Wenn Sie sich also beeilen würden, dann …«
    »Kann ich mitkommen?«
    Guy blickte den Reporter verdutzt an. »Sie wollen mitkommen?«
    »Na ja, klingt ganz so, als wenn dabei ‘ne heiße Story rausspringen könnte. Hört sich ganz nach einem echten Knüller an.«
    Guy kniff die Augen zusammen. »Sind Sie etwa dieser Typ vom Angelsächsischen Generalanzeiger?«
    »Wie bitte? Nein, ich bin von der BBC.«
    »Von der BBC?« wiederholte Guy. »Sie meinen die British Broadcasting Corporation?«
    »Ja, natürlich meine ich die …«
    »Welches Datum hatten wir denn, als Sie heute morgen aus dem Haus gegangen sind?«
    Der Mann blickte Guy wie einen Vollidioten an.
    »Den fünften April neunzehnhundertvierundneunzig natürlich. Hören Sie, wenn das hier ein …«
    311
    »Neunzehnhundertvierundneunzig also, danke.
    Sind Sie gleich fertig?«
    »Fast. So, jetzt versuchen Sie’s mal.«
    Guy bog die Arme hin und her und merkte, das sich die Stricke um seine Hände rasch lösten. Dann schnellte er nach vorn, schnappte sich das Knebel-sandwich von der Stelle, wo es zuvor hingefallen war, und verschlang es in Null Komma nichts.
    »Das ist schon besser«, nuschelte er noch mit vollem Mund. »Sie haben ja keine Ahnung, wieviel besser ich mich jetzt fühle. Vielen Dank auch.« Er nahm sich das Brotmesser und machte sich daran, die Stricke durchzusägen, mit denen er an den Füßen gefesselt war.
    »Keine Ursache«, sagte der Reporter, der bereits aus einer Tasche ein Notizbuch hervorgeholt hatte.
    »Also, was ist denn nun passiert?«
    Guy schnitt den letzten Strang durch, ließ das Messer fallen und kam nur allmählich und mit wac-kelnden Knien wieder auf die Beine. »Ach, deswegen lassen Sie sich keine grauen Haare wachsen. Es ist nichts Besonderes, wirklich. Nur ein kleines« – er suchte nach den passenden Worten – »zeitliches Problem. Das renkt sich schon bald wieder ein. Wenn Sie Hunger haben, nehmen Sie sich ruhig ein Wurstbrötchen von da vorne, die sind wirklich gut. Sehr gut sogar.«
    »Nein, danke. Hören Sie, ich …«
    »Bedienen Sie sich!« Guy ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen. Dann steckte er sich die restlichen 312
    Brötchen in die Tasche, stopfte sich ein Stück Mar-meladenkuchen in den Mund und rannte los. Der Mann versuchte, ihm zu folgen, stürzte aber über einen Transportbehälter, stieß sich den Kopf und fiel in Ohnmacht.
    Das war ein Jammer, denn wäre ihm dies nicht passiert, dann wäre er der einzige Reporter gewesen, der einem der wichtigsten Ereignisse der Menschheitsgeschichte als Augenzeuge beigewohnt hätte –
    und zwar der gesamten Geschichte: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Doch als er wieder zu sich kam, mußte er feststellen, daß er mit brummendem Schädel auf einer Bank im Central Park lag. In der linken Hand, in der er bei seinem Sturz das Notizbuch gehalten hatte, hielt er eine in Kalbsleder gebundene Ausgabe von G. Eliots Silas Marner.
    Einige Menschen haben einfach kein Glück.
    Nachdem Guy aus dem Zimmer gerannt war, gelangte er in einen langen Korridor. Er blieb stehen und blickte nach beiden Seiten. Da war nichts; nicht einmal ein Hinweis, welche Richtung er einschlagen könnte. Nur Blondels Musik war zu hören, die direkt von oben zu kommen schien. Sehr hilfreich war das nicht.
    Da er zu jenen Leuten gehörte, die automatisch links abbiegen, wenn man ihnen nicht eindeutig etwas anderes sagt, lief er den Korridor links hinunter und stieß irgendwann auf eine Feuertür aus hitzebe-ständigem Glas.
    Die Tür war von der anderen Seite her verriegelt.
    313
    Sehr schön, das habe ich mir schon immer mal gewünscht, redete er sich Mut zu.
    Dann ergriff er einen in der Nähe befindlichen Feuerlöscher, verschlang noch rasch ein Wurstbrötchen und schritt zur Tat. Das Glas war zwar sehr viel stabiler, als es zunächst ausgesehen hatte, dennoch war es nicht stabil genug. Als Guy ein einigermaßen großes Loch hineingeschlagen hatte, griff er vorsichtig hindurch,

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