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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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Haare abgeschnitten, kürzer als kinnlang, und sie hinterher hellblond gefärbt. Keine Ahnung, warum ich es getan hatte. Es war einfach so über mich gekommen, eines Abends. Jetzt hatte ich wenigstens die richtige Haarfarbe. Eine Lovell-Haarfarbe.
    Ich gab Moon keine Antwort. Ich blieb einfach an der Tür stehen und sah ihn weggehen und mein Herz tat mir weh.
    Bei Old Niall ging immer noch keiner ans Telefon.
    Leek hatte es probiert, Rosie sowieso. Und ich ebenfalls.
    Die Welt ist ein Jammertal .
    Rosie hatte Leek die Nachricht seines irischen Großvaters auf unserem Anrufbeantworter vorgespielt.
    »Wer war das? Das klang ja fürchterlich. – War das etwa dieser Verrückte, der bei eurer Hochzeit war? Dein – Großvater, Lawrence? Trinkt er etwa?«, fragte Dorothea missbilligend und ließ ihr Tagebuch sinken, in das sie dauernd schrieb. Sie hielt ihr ganzes Leben auf diese Weise fest.
    Weder Rosie noch Leek würdigten sie einer Antwort.
    »Ob er – tot ist?«, fragte Rosie meinen Dad stattdessen leise und verzagt. Und dann weinte sie weiter, weil sie sowieso schon am Weinen war. »Wir müssen uns kümmern, Leek.«
    Old Niall hatte dort oben eine Nachbarin, von der wir die Nummer hatten, eine alt gewordene IRA-Kämpferin, aber auch die erreichten wir telefonisch nicht.
    Ja, die Welt war wirklich ein Jammertal.
    Und an diesem Nachmittag war ich alleine mit meinen Eltern und meinen Großeltern aus Deutschland. Godot lag im Garten unter dem Olivenbaum und wartete hechelnd auf Moons Rückkehr.
    »Ihr seid da übrigens in der Pflicht«, sagte Herrmann, der eine Weile mit verbissener Miene an seinem Notebook im Internet recherchiert hatte. »Diese andere Familie hat ein Recht darauf, etwas über Sky …«
    »Vater, ich will nichts davon hören«, bat Rosie mit erstickter Stimme. Auf dem Gästeklo, versteckt hinter einer wild wuchernden Wasserlilie im Topf, lag ihr Joint. Immer wieder verschwand sie zwischendurch auf der Toilette und nahm ein paar tiefe Züge. Yoga machte sie nicht in der Gegenwart ihrer Eltern. Und mit Jilliam hatte sie wegen dieses Lachtherapeuten Streit und darum ging sie nicht mehr zu den Stunden.
    »Ich weiß, dass du da drin dein Marihuanazeug rauchst, Rosa«, sagte Dorothea kühl. »Warum tust du es im Geheimen? Warum siehst du deinem Vater und mir nicht ins Gesicht dabei? Wie lange rauchst du jetzt schon dieses Zeug? Schämst du dich eigentlich gar nicht vor deinen Kindern?«
    Rosie schwieg und starrte vor sich hin. Moon hatte recht, unsere Mom ließ sich unterdrücken. Aber nicht nur von unserem Dad, sondern von der halben Welt, wie es schien. Und vor allen Dingen von ihren bornierten Eltern. Warum warf sie sie nicht endlich raus?
    »Ich werde diese Greenbergs jetzt anrufen«, sagte Leek plötzlich, gerade als ich aufstehen und hochgehen wollte. »Rosiedarling, mach kein so erschrockenes Gesicht. Es wird nichts Schlimmes geschehen, das verspreche ich dir. – Und du, Dorothy, lässt Rosie in der Zwischenzeit in Frieden …«
    »Dad …«, begann ich, aber ich wusste nicht weiter.
    »Alles wird gut, Prinzessin.«
    Leek ging mit dem Telefon in den Garten zu Godot, der ihn schwanzwedelnd begrüßte.
    Ich starrte wie gelähmt auf Leeks zweitbeste Staffelei, die er für den Zeitraum seines Aufenthalts in unserem Wohnzimmer aufgestellt hatte. Leeks beste Staffelei stand in Venice.
    Mein Dad hatte gestern angefangen, mich zu malen. Nur mein Gesicht. Ich betrachtete mich stumm und lauschte dabei nach draußen.

20. HANNAH
    »Heute wäre mein kleiner Bruder fünfundsiebzig Jahre alt geworden«, sagte Esther und trank Sherry, in großen, ärgerlichen Schlucken. »Unglaublich. Er war so ein Winzling. So zart, so gebeugt, so von seiner Knochenkrankheit gezeichnet.«
    Esther starrte vor sich hin. »Und ich habe nichts von ihm zurückbehalten. Die Nazis haben ihn einfach so zertreten wie ein Insekt.«
    Shar und ich schwiegen.
    »Dabei war er ein lustiges Kerlchen, trotz seiner Malessen. Jakob und ich hatten viel Spaß mit ihm. – Fünfundsiebzig! Ist das zu fassen! Und dabei ist er nur neun Jahre alt geworden. Und jetzt wäre er also ein alter Mann …«
    Esther trank Schluck um Schluck. »Doch, doch, ich habe etwas von ihm zurückbehalten«, murmelte sie irgendwann. »In meinem Herzen sind seine großen, klugen Augen. Und sein Lachen, wenn er sich freute, dabei hatte er nicht oft Grund dazu. Ach, Mendel …«
    Wir saßen im Garten.
    Meine Mutter war in der Klinik bei Jonathan, der heute keinen guten Tag

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