Wenn du mich brauchst
– die eigentliche Hannah Greenberg?
Und was war mit mir?
»Und wie geht es jetzt weiter?«, fragte Hayley. Ich starrte auf meinen Teller, auf meinen eigenen unberührten Bagel. Ich dachte daran, dass Hayley und Zvi überlegten, ein Kind zu adoptieren. Hayley hatte eine Menge Fehlgeburten hinter sich und jetzt erwogen sie und Zvi, es stattdessen mit einer Adoption zu versuchen.
»Wir … wir werden uns treffen«, sagte Mo leise.
»Wer – wir?«, entfuhr es mir erschrocken.
Mein Vater schaute mich an. Seine dunklen, sanften Augen lagen in tiefen Höhlen.
»Keine Angst, Augenstern«, sagte er. »Nur – wir Eltern. Wir werden – in erster Linie über Jonathan sprechen. Alles andere kommt später.«
Was war alles andere ? Was würde später kommen?
»Ich finde das alles so beschissen, Shar«, tippte ich in den Facebook -Chat.
21. SKY
Wann sehen wir uns mal wieder, Sky Lovell? , lautete Gershon Golds SMS, gerade als meine Großeltern verkündet hatten, dass sie länger bleiben würden.
»Nein, nein, nein«, murmelte Rosie entsetzt.
»Ist alles schon geklärt«, sagte Dorothea und fächerte sich mit der Los Angeles Times von gestern die obligatorische Luft zu. »Wir tun das für dich. Und natürlich für Sky. In dieser schwierigen Situation können wir euch nicht alleine lassen. Dein Vater ist außerdem dafür, einen Anwalt einzuschalten. – Die Flüge sind bereits umgebucht.«
Weiß noch nicht , schrieb ich zurück und schickte die SMS ab.
Herrmann las in einem Buch über Logik, Spieltheorie und Wahrscheinlichkeitsrechnung.
»Es ist alles eine Sache der Übung. Und des Wortschatzes«, sagte er plötzlich zusammenhanglos. Zu wem? Zu mir? Ich schaute von meinem Handydisplay zu Moon, der auf der Terrasse saß und las. Seine Klamotten waren immer noch voll von Poe-Texten, aber heute las er mit zusammengekniffenen Augen Licht im August von William Faulkner. Irgendjemand hatte es ihm gestern geschenkt, ich hatte nicht mitbekommen, wer. Irgendjemand, den er getroffen hatte, als er alleine unterwegs war.
»Wovon redest du, Herrmann?«, fragte Leek, der gerade zur Tür hereinkam. Er hatte Farben gekauft.
»Sie bleiben länger, Leek«, sagte Rosie leise.
» Scrabble«, sagte Herrmann. »Euretwegen verpasse ich ein wichtiges Turnier in Bremen. Norddeutsche Meisterschaft. Aber sei’s drum. Diese Angelegenheit geht vor.«
Hier läuft gerade alles schief. Sorry. Sonst hätte ich mich längst gemeldet! , schrieb ich in einer zweiten SMS an Gershon, weil die erste irgendwie misslungen war.
»Ich schlage vor, Rosie geht zusammen mit Herrmann zu diesem – Treffen«, sagte Hamburg/weiblich in diesem Moment. »Herrmann ist wunderbar in solchen Dingen. Er wird keine Fehler machen und sich nicht verzetteln. Er behält den Überblick.«
Rosie schüttelte den Kopf. »Nein, ich kann da nicht hingehen«, sagte sie leise. »Leek soll das tun.«
»Keiner von uns wird da hingehen«, fuhr Moon auf und sah von seinem Buch auf. »Das ist doch alles Unsinn!«
»Das ist alles andere als Unsinn«, sagte Dorothea. »Es nützt nichts, die Augen vor dieser Angelegenheit zu verschließen.«
»Mit welchem Sinn?«, sagte Moon wütend. »Wollt ihr Sky umtauschen oder was? Den Fehler im System beheben? Ordnung schaffen? Das richtige Kind wiederhaben?«
Ich starrte vor mich hin. Was war los mit mir? Wo war meine Power? Moon hatte mir gestern über Google Earth das Haus der Greenbergs in Beverlywood gezeigt.
»Bonzengegend, Sky. Zieht es dich dahin?«
Nein, das tat es nicht.
Hinterher sahen wir uns unser eigenes Haus auf Google an. Ich starrte minutenlang auf den kleinen grauen Fleck, der mein Zuhause war. Sogar Moons Olivenbaum war zu sehen.
Noch zwei Stunden. Sie würden sich bei Yamashiro treffen, einem edlen asiatischen Restaurant am östlichen Rand der Hollywood Hills. Von dort hatte man einen beeindruckenden Blick über Los Angeles.
Manchmal, wenn Leek gerade gut verdiente, gingen wir dorthin. Aber das letzte Mal war bestimmt schon gut zwei Jahre her. Das Essen dort war gigantisch, Moon und ich liebten die Schweinesteaks, Rosie favorisierte Sushi, während Leek als Vegetarier immer zum großen Salatbüfett strebte.
»Rosie und Leek werden zusammen hingehen, ganz die sich liebenden, besorgten Eltern«, erzählte ich Kendra bedrückt am Telefon. Kendra hatte gestern zwei Weisheitszähne entfernt bekommen und lag mit geschwollener Backe bei sich zu Hause in ihrem Zimmer und fühlte sich hundeelend.
»Okay«, murmelte sie
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