Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
Vom Netzwerk:
bleiben. Sie sind sehr …«
    Esther suchte nach dem passenden Wort. »… verwirrt, erschrocken über diese ganze Sache …«
    Esther biss sich auf die Lippen und wirkte ebenfalls verwirrt.
    In dem Moment kam David zur Tür herein. »Abba? – Abba, bist du da? Wem gehört denn der Leihwagen in unserer Einfahrt? Er versperrt mir die Zufahrt zur Garage …«
    Mr Goldblum brummte in der Werkstatt laut und ärgerlich auf und Shar rief, ehe ich sie aufhalten konnte: »Wir sind im Wohnzimmer, David!«
    Und dann war er da.
    Und noch nie war er jüdischer gewesen.
    »Hallo«, sagte er kühl. Hatte er sofort begriffen, was hier vor sich ging? Sein Blick wanderte über die Fremden, die Blumen, Esthers steife Gestalt, mein nervöses Gesicht, die Halskette in meiner Hand.
    »Ihren Nachnamen habe ich vergessen, David. Sie sind – die Eltern von …«
    »Rosie Lovell«, nahm mir David die Worte aus dem Mund. »Soso.« Er musterte die beiden misstrauisch.
    Einen Moment war es ganz still. David steckte sich mit nachdrücklicher Geste seine Jarmulke fest in die schwarzen, widerspenstigen Locken und betrachtete dabei weiter die beiden Deutschen.
    »Hey, Dave, sie sind wahrscheinlich keine Nazis«, sagte Shar leise. »Hör auf, sie so böse anzustarren. Sie sind nur – Deutsche, weiter nichts.«
    Bei dem Wort Nazis zuckten die beiden Fremden zusammen.
    »Nur – Deutsche?«, fragte David zurück.
    Himmel, dachte ich.
    »Wollen Sie vielleicht etwas – trinken?«, fragte ich schließlich, nur um etwas zu sagen.
    Es war kein komplizierter Satz und ich hatte langsam gesprochen, aber die beiden schauten dennoch fragend in Esthers Richtung.
    »Esther …«, bat ich.
    Sie übersetzte es und Shar holte Gläser, Saft und Wasser für alle. Da stand Esther auf und holte eine israelische Rotweinflasche. Sie machte ein fragendes Gesicht und die deutsche Frau nickte, während der Mann den Kopf schüttelte und eine Geste machte, die Autofahren darstellte.
    Esther holte zwei von den feinen Weingläsern. Ihre Miene hatte sich etwas aufgehellt. Beruhigungspille Alkohol.
    »Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich habe jedenfalls einen Bärenhunger«, sagte David plötzlich, ging in die Küche und schob gleich darauf ein paar streng koschere Lebensmittel durch die Durchreiche in der Wand.
    Rosie Lovells Mutter war aufgestanden und stellte die Sachen für David auf den Tisch. Er dankte es ihr mit einem weiteren misstrauischen Blick.
    »David!«, entfuhr es Shar.
    Dabei fiel der Blick der deutschen Frau auf Jonathans Shalom-Bild, um das ich jetzt immer einen emotionalen Bogen mit den Augen machte.
    »Shalom …«, las sie leise und betrachtete das Bild genau. Dann drehte sie sich um. »Schön«, sagte sie.
    »Danke«, murmelte ich. »Mein kleiner Bruder hat es gemalt.«
    Diesmal verstand sie mich, wie es schien.
    Währenddessen packte David Brot aus einer braunen Papiertüte. Und aus einer anderen Roastbeefscheiben. Aber bevor er Brot aß, musste er sich rituell die Hände waschen. Er tat es und sprach laut die Brachot Birkot ha-Nehenin . Esther hatte es, bevor sie ihren ersten Wein des Tages trank, ebenfalls gesprochen, aber fast tonlos, nur an ihren Lippenbewegungen hatte ich es erkannt und an der Tatsache, dass Esther mit ihren Gebeten sehr sorgfältig war. Wenn sie auch nur selten in die Synagoge ging und fluchte wie ein Seemann, auf ihre burschikose Weise war sie sehr gläubig.
    »Wir sind aus Hamburg. Norddeutschland«, sagte Mrs Lovells Mutter gerade in ihrem holperigen Englisch.
    Ich nickte, weil ich fand, das gehörte sich. Esther trank ihr Glas aus und nur ein paar Augenblicke später wurden ihre Augenlider schwer.
    Esther lag oft nachts wach. Dann geisterte sie durchs Haus oder den Garten oder chattete mit Holocaust-Heinrich.
    Gleich darauf schlief sie ein.
    »Jetzt werden sie wohl gehen«, sagte David kauend. Er aß von unserem dunklen Geschirr, das für fleischige Gerichte da war. Milchige Gerichte aßen wir von unserem hellen Geschirr.
    »Die Übersetzerin ist betrunken und schnarcht. Die Show ist damit zu Ende.«
    Aber sie gingen nicht.
    »Wir haben Freunde in Hamburg, die sind jüdisch auch«, sagten sie stattdessen mühsam.
    »Soso«, antwortete David.
    »Ein schönes Haus«, sagte meine – deutsche Großmutter als Nächstes und schaute sich um.
    Ich nickte.
    »Ihr spielen – kennen – Scrabble?«, erkundigte sich mein deutscher Großvater. Niemals würde ich ihn so nennen können. Lieber, guter Sejde Yitzchak in

Weitere Kostenlose Bücher