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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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Greenberg von einem Moment auf den nächsten, dass ihr Sohn diese eine harmlose Untersuchung auch ohne sie überstehen würde.
    »Nein, das tue ich nicht«, erklärte er wütend und kniff die Lippen fest zusammen.
    »Doch, Joni, das tust du«, erwiderte seine Mom streng und kniff ebenfalls die Lippen fest zusammen.
    Und dann waren wir auf einmal alleine.
    »Wollen wir … wollen wir vielleicht für einen Moment hinunter in den Klinikgarten gehen?«, schlug Mrs Greenberg zögernd vor. Ich nickte und starrte, obwohl ich es nicht wollte, sekundenlang auf ihren flachen Bauch, der unter dem cremefarbenen T-Shirt verborgen war. Darin war ich gewesen, neun lange Monate lang. Und sie … – sie hatte mich ernährt, gewärmt, beschützt, ihre Hand auf mich unter ihrer Bauchdecke gelegt und sich über meine Babytritte gefreut. Ich hatte dafür von dort drinnen dem Klang ihrer Stimme gelauscht und dem rhythmischen Klopfen ihres Herzens.
    »Durchatmen«, sagte sie wie befreit, als wir endlich unten waren, und atmete durch. Im Aufzug hatten wir kein Wort gesprochen, erschrocken über die aufgezwungene räumliche Nähe zwischen uns.
    »Die Klinikluft macht mich verrückt. Immer diese Klimaanlage, man wird ganz elend davon.«
    Ich nickte. Der kleine Klinikgarten vermittelte irgendwie die Illusion von Abgeschiedenheit. Wir erreichten ein paar Obstbäume und blieben stehen.
    Die Luft war mit Blütenduft erfüllt. Ich setzte mich ins grüne, anscheinend täglich bewässerte Gras, während Mrs Greenberg stehen blieb, sich an den Baumstamm lehnte und nervös kleine Rindenstücke abbrach.
    Hier war es schattig, noch ein Pluspunkt für den Rasen, der in Südkalifornien im Sommer fast immer und überall ums Überleben kämpfen muss.
    Sie sieht nicht sehr jüdisch aus, dachte ich plötzlich. Allerdings – was hieß schon jüdisch aussehen?
    Mrs Greenbergs Gesicht lag ebenfalls im Schatten und sah ein bisschen wie mit Holzkohle skizziert aus. Immer noch stand sie. Rosie hätte sich längst neben mir ins Gras fallen lassen. Sich gerekelt, die nackten Arme hinter dem Kopf verschränkt, ihr Gesicht aus dem Schatten in die Sonne geschoben.
    »Ich bin ganz verwirrt«, gestand Mrs Greenberg in diesem Moment und setzte sich nun doch. Allerdings würde Rosie viel schlimmer reagieren als Mrs Greenberg, stünde diese Hannah Greenberg plötzlich unerwartet vor der Tür. Wahrscheinlich würde sie völlig zusammenklappen, weinen oder erstarren, wie eine Ertrinkende nach Leek rufen – und sich keineswegs entspannt in der Sonne rekeln.
    »So im Gras habe ich schon eine Ewigkeit nicht mehr gesessen.« Mrs Greenberg schüttelte den Kopf. »Ich habe ziemliche Probleme mit meinen Knien, weißt du. Mit meinen Gelenken insgesamt. Mit jedem – Kind wurde es schlimmer …«
    Sie hob erschrocken den Kopf. »Das klang jetzt ganz falsch«, verbesserte sie sich. »Ich meine, eigentlich wurde es erst nach Jonathans Geburt so. Arthritis, es kommt in der ganzen Familie vor, meine Mutter und meine Großmutter haben ebenfalls …«
    Wieder stockte sie.
    »Ich rede nur Unsinn«, nahm sie dann einen neuen Anlauf.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Doch, doch«, beharrte sie und schob sich eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn. »Ich bin nur so durcheinander, so aufgeregt.« Sie lächelte mir zu. »Du … bist ein sehr hübsches Mädchen, Sky«, sagte sie dann. »Tausendmal habe ich mir in den letzten Tagen unser Zusammentreffen vorgestellt, wenn es denn je dazu kommen sollte. Ich war mir nicht sicher, ob du es überhaupt wolltest. Und mit – Hannah kann ich auch nicht darüber sprechen. Sie hat sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Wir hatten nicht viel Zeit. Aber wir schafften es, über eine Menge zu sprechen. Delia sagte, ich solle sie doch beim Vornamen nennen. Und sie fragte nach Moon. Und was ich gerne machte.
    »Ich spiele seit Jahren Klavier auf dem Schulklavier«, sagte ich. »Wir haben – zu Hause nicht genug Platz für ein eigenes Klavier. Unser Haus ist nicht sehr groß. Im ersten Stock – im Schimmelz… – ich meine, im Gästezimmer, wäre Platz, aber die Treppe nach oben ist wiederum zu eng für ein Klavier.«
    Delia lächelte mir zu. Sie erzählte, dass sie als Kind in Israel auch Klavier spielen gelernt habe und es auch heute noch oft tue.
    »Mein ganzer Kopf ist voller Fragen und Fragezeichen«, gestand sie dann mit einer hilflosen Geste.
    Wir lächelten uns an und anschließend musste Delia wieder nach

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