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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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Natürlich war sie das. Wer sollte es sonst sein?
    »Hannah, Darling …«
    Stille.
    »Hallo, Mrs – Lovell«, sagte ich und floh mit dem Telefon in den Garten. Dort setzte ich mich so weit wie möglich vom Haus entfernt ins Gras. Immer noch Stille.
    »Rosie. – Nicht Mrs Lovell«, sagte sie plötzlich mit starkem deutschem Akzent. Lebte sie nicht schon jahrelang in den Staaten? Ich wurde in einem Monat immerhin siebzehn – und ihr Sohn war, wie ich gehört hatte, sogar noch älter als ich.
    Nach und nach drangen die Alltagsgeräusche zurück in mein Bewusstsein. Grillen, Kinderstimmen, ein bellender Hund, Autos.
    »Darling, die Sache mit – meinen Eltern tut mir so leid«, sagte Sky Lovells Mutter hastig. Weinte sie? Ihre Stimme klang wie die Stimme eines jungen Mädchens. »… sie – sie hätten das nicht tun dürfen … Aber so sind sie. Ich habe nicht gewusst, dass sie … das vorhatten … Das musst du mir glauben, bitte!«
    Mir schwirrte der Kopf. Wie alt war sie überhaupt?
    »Ist schon in Ordnung«, versuchte ich, sie zu beruhigen, aber es gelang mir nicht wirklich, wie es schien.
    »Es kommt nicht wieder vor«, versprach sie piepsig. Im Hintergrund fand immer noch ein Streit statt.
    »Ich bin so verwirrt, Hannah«, gestand Rosie Lovell und jetzt weinte sie wirklich. Ich hörte sie schniefen und einmal putzte sie sich unter Entschuldigungen die Nase. »Zuerst konnte ich das alles nicht glauben. Dann hatte ich Angst davor. – Aber jetzt bin ich mir sicher: Du musst unbedingt herkommen, mein Mädchen, und – Sky kennenlernen. Und natürlich Leek, meinen Mann. Und Moon. Er ist mein Sohn. Du wirst ihn mögen, da bin ich sicher … Wir werden ein Picknick in unserem Garten machen, Darling. Wir alle. Deine Familie und unsere Familie. Was ist dabei? Wir werden uns alle anfreunden. Und alles wird wunderbar sein, meinst du nicht auch? Ich freue mich wirklich darauf, dich – kennenzulernen …«
    Ich stimmte ihr zu, murmelte einen Abschied, legte auf und war hinterher völlig verwirrt. Es kam mir fast so vor, als hätte ich mit einem – Kind gesprochen.
    Wie sie wohl aussah?
    In meiner Vorstellung hatte ich auf einmal ein dünnes blasses Teenagermädchen mit verweinten Augen und einer ängstlichen Miene vor mir.
    Aber das konnte ja nicht sein. Ihre Stimme musste trügen. Sie war meine Mutter. Es war fast achtzehn Jahre her, dass sie mich geboren hatte. Sie war eine erwachsene Frau. Sie musste – mindestens siebenunddreißig oder achtunddreißig sein, wenn sie mich nicht als Teenager bekommen hatte. Aber davon war bisher nicht die Rede gewesen.
    Wieder drängte sich mir das schniefende, trotzige Teenagermädchen auf.
    Sie war damals auch nicht mitgekommen zu diesem Treffen bei Yamashiro. Mr Lovell war alleine dort erschienen.
    Stimmte vielleicht etwas nicht mit ihr?
    Am Abend steckte in unserem Briefkasten überraschend ein dicker, großer Briefumschlag, adressiert an mich. Ich zog ihn heraus und starrte ihn lange an, ehe ich ihn öffnete. Schließlich gab ich mir einen Ruck und riss das gefütterte Kuvert auf.
    Darin war ein Brief der deutschen Eltern von Rosie Lovell. Die beiden schienen ihr ganzes Leben auf ihrem Notebook gespeichert zu haben. Jedenfalls bekam ich eine Menge Fotografien von ihnen, kombiniert mit kurzen Schreiben.
    Liebe Hannah, dies ist deine Familie in Deutschland , schrieb diese Mrs Marsirske. Dorothea und Herrmann Marsirske. – Klein Rosie in unserem Garten in Hamburg. – Gertrude und Walter Marsirske, meine Eltern aus Lübeck. – Und Hans und Erika Müller, Opa Herrmanns Eltern, ebenfalls aus Lübeck.
    Ich besaß jetzt also ein Foto von ihnen. Und ein Kleinkinderbild von Rosie. Und Fotos – meiner deutschen Urgroßeltern!
    Noch nie hatte ich größere Sehnsucht nach meinen lieben, sanften Großeltern in Israel gehabt als an diesem Abend. Ich riss den Brief und die Bilder in kleine Fetzen und stopfte sie tief in meinen Mülleimer. Nicht auszudenken, wenn David sie in die Finger bekommen würde. So viele Deutsche …
    Nur das Babybild von Rosie Lovell hob ich auf.
    Sie sah mir wahnsinnig ähnlich. Und sie war ein niedliches, kleines blondes Mädchen gewesen. Ich war erleichtert darüber.

27. SKY
    »Wo kommt ihr denn her? Schwänzt ihr etwa euren SAT-Test?«, fragte Moon, als Kendra und ich hintereinander in unserer Einfahrt parkten. Ich in Kendras Honda und Kendra im neongrünen Saturn ihrer Mutter.
    Godot bellte uns an.
    »Aus Plastikwelt«, sagte Kendra und stieg aus. Es war noch

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