Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter
geflohen, ebenso wie die restlichen Schüler der Wilburton High.
Ich schüttelte den Kopf über die Reifenspuren. Ich konnte es niemandem verübeln, dass er abgehauen war, einschließlich O’Reilly, Scott und Kaylen. Ich glaubte nicht, dass sie sich an irgendetwas erinnern würden oder dass sie sich erinnern wollen würden, und zwar auf Jahre.
Sie hätten keinen Part in diesem perversen übernatürlichen Spiel spielen sollen. Ebenso wenig Jillian, die wahrscheinlich die furchterregende Erinnerung an diese Nacht für immer mit sich herumtragen würde.
Dann gab es da noch Joshua. Denjenigen, um den ich während dieser Zerreißprobe am meisten fürchtete. Der letzte – und in meinen Augen der wichtigste – der Lebenden, der schrecklich gelitten hätte, wäre Elis Plan schlimmer ausgegangen.
So viel Angst und so viel mögliche Tragödie, und das alles, weil Eli Rowland mich haben wollte.
Nichts, als mich völlig zu besitzen, würde Eli zufriedenstellen. Selbst jetzt glitzerte etwas davon in Elis Augen – nicht nur das Bedürfnis, den Befehlen seiner Gebieter Folge zu leisten, sondern auch dieses verrückte, unaufhaltsame Bedürfnis, zu haben. Zu besitzen.
Und wegen meiner flüchtigen Ähnlichkeit mit seiner verstorbenen Geliebten war ich das derzeitige Objekt seiner Zwangsvorstellungen. Vielleicht würde ich es immer sein, wenn ich jetzt nichts unternahm. Dieses Wissen loderte in meinem Innern, viel stärker, als jegliches Feuer es jemals könnte.
Ich warf einen letzten Blick auf Joshuas im Dunkeln liegendes Gesicht. Joshua hatte erneut das Handy am Ohr. Er hielt immer noch Jillian in den Armen, und alle paar Sekunden sah er besorgt auf sie hinab und dann wieder zu mir hoch.
Als Joshuas Blick sich über die weite Entfernung mit meinem kreuzte, festigten sich meine vagen Pläne. Ich musste Eli auf der Stelle aufhalten, wenn ich hoffte, mein Leben nach dem Tod jemals in Frieden zu verbringen. Ich musste Eli dazu bringen, mich mehr zu fürchten, als er es jetzt tat. Mehr, als er alles auf dieser Welt fürchtete. Nur dann hätte ich den Hauch einer Chance, ohne seine ständige, gefährliche Einmischung zu existieren.
Eli bestärkte mich nur in meinem Entschluss, als er das Wort ergriff.
» Was auch immer das hier ist, Amelia«, sagte er und wies auf das Leuchten, » ich glaube, dass es mir sehr nützlich sein könnte.«
Ich wandte mich wieder ihm zu. Eli sah mir nicht in die Augen, weil er immer noch zu sehr damit beschäftigt war, das Leuchten zu beobachten. Es aufmerksam zu betrachten.
» Oh, glaubst du, ja?«, fragte ich leise.
» Selbstverständlich.« Eli nickte, und ihm war beinahe anzusehen, wie sich die Ideen in seinem Kopf bildeten. » Du wärst meine beste Dienerin bisher. Stell dir nur einmal vor, was dieses Licht von dir bewirken könnte – wie viele neue Seelen es mir einsammeln helfen könnte, wie viele Leute davon angezogen würden, wie Nachtfalter von einer Flamme.«
Ich legte den Kopf schräg. » Und wenn ich dir nicht dienen will?«
Er zuckte zusammen und erwiderte meinen Blick. Ein langsames, ungläubiges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. » Nicht wollen?«, wiederholte er. » Glaubst du immer noch, dass du bei all dem eine Wahl hast?«
Ich presste fest die Lippen zusammen und kämpfte die aufsteigende Wut in mir nieder. Erst als ich mich wieder besser im Griff hatte, antwortete ich.
» Wir alle haben die Wahl, Eli. Es ist mir ganz gleich, wie oft ich es sagen muss: Auch ich habe die Wahl. Selbst als Tote.«
Eli schüttelte den Kopf. » Das versuche ich dir schon die ganze Zeit klarzumachen: Du bist meine Wahl. Das sollte genügen.«
Ich schüttelte ebenfalls den Kopf. » Es genügt nicht. Denn du bist nicht meine Wahl.«
Er grinste höhnisch, und wie auf ein Stichwort hin versammelten sich die langen, schwarzen Gestalten um ihn. Sie schienen aus dem Nichts aufzutauchen und schwärmten nun in Sicht. Sie bewegten sich ruhelos und verwandelten sich ständig, sodass ich ihre beinahe menschlichen Gestalten kaum erkennen konnte, geschweige denn ihre Gesichter.
Eli sah sie nicht an, doch sein Grinsen wurde breiter. » Bist du dir sicher, dass du dich zur Wehr setzen willst, Amelia?«, flüsterte er bedrohlich.
Ich unterdrückte ein Schlucken und ballte an meinen Seiten die Hände zu Fäusten. » Ich bin mir sicher.«
Eli nickte erneut. Das Nicken galt nicht mir, wie ich feststellte, sondern den schwarzen Geistern um ihn her. Daraufhin stürzten sie vorwärts und umgaben
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