Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter
erhalten.
Meine ursprüngliche Entschlossenheit schrumpfte, und beinahe machte ich kehrt. Meine Zukunft hing von Joshua und dem Ergebnis unseres Gesprächs ab. Das spürte ich tief in meinem Innern, und auf einmal konnte ich nicht mehr nachvollziehen, wie ich so wagemutig hatte beschließen können, mich ihm zu stellen.
Doch meine Füße waren Verräter. Oder sie waren loyaler, je nach Betrachtungsweise. Sie marschierten weiter die Straße entlang, über einen Parkplatz und durch ein spärliches Kiefernwäldchen, an mehreren leeren Bänken vorbei und zu der einzigen, die besetzt war.
Joshua saß nicht auf der Bank, sondern auf dem Betontisch, an dem die Bank befestigt war. Er starrte nach links, in den Wald, der die Picknicklichtung umgab. Sein Profil – breite Kiefer, hohe Wangenknochen und volle Lippen – ließ mich erzittern, und eine Welle des Verlangens und der Angst wogte durch mich hindurch. Ich beobachtete, wie er die schwarzen Augenbrauen zusammenzog, während er weiter den Wald betrachtete. Vielleicht dachte er, dass ich ihn tatsächlich versetzt hatte.
» Hey, Joshua.«
Obwohl ich im Grunde nur geflüstert hatte, drehte er ruckartig den Kopf in meine Richtung. Dann breitete sich ein riesiges, strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Er sprang vom Tisch und kam auf mich zu, einen Arm ausgestreckt, als wolle er mich berühren.
Instinktiv trat ich rasch einen Schritt zurück.
Stirnrunzelnd blieb er stehen.
» Ähm … tut mir leid. Zu übereifrig?«
Himmel, nein! Ich war nur nicht bereit, das hier enden zu lassen, bevor es überhaupt begonnen hatte.
» Nein«, sagte ich laut. » Nur … unerwartet.«
Er lachte. » Tut mir leid. Wahrscheinlich sah ich wie ein Golden Retriever oder so was aus. Ein großer dummer Hund. Aber das eben war auch für mich ein bisschen unerwartet, weißt du?«
» Inwiefern?«
» Du bist aufgetaucht. Wider Erwarten.« Er lächelte halb, und ein leichtes Grübchen zeigte sich in seiner Wange.
Unwillkürlich lächelte ich auch ein wenig. » Ich wollte dich nicht enttäuschen.«
» Hast du auch nicht.«
» Oh.«
Genial, Amelia, schrie ich in meinem Kopf. Der Tod hatte meinen Wortschatz offenbar nicht verbessert. Joshuas halbes Lächeln wurde ein wenig breiter. Möglicherweise ein Zeichen seiner Belustigung angesichts meiner aufgelösten Miene.
Unglücklicherweise würde unser neckisches Geplänkel nicht ewig währen. Mit einer ausladenden Handbewegung deutete er wie ein Oberkellner auf den Tisch hinter ihm. » Eine ruhige Parkbank, wie versprochen?«
Ich seufzte. Anscheinend ließ es sich nicht länger hinausschieben. » Ja, es ist wohl an der Zeit.«
Joshua zog die Brauen zusammen, als ich an ihm vorbei zu der Bank ging.
» Sieh mal, ich habe nicht vor, einen auf Spanische Inquisition zu machen.«
» Ich weiß«, sagte ich tonlos.
Ich setzte mich und spürte den Druck der Bank, aber nicht wirklich die Bank selbst, und faltete die Hände im Schoß. Joshua wandte sich mir zu, machte aber keine Anstalten, sich ebenfalls hinzusetzen. Ich starrte auf meinen Schoß hinunter und versuchte, mich auf das unvermeidliche Ende vorzubereiten. Aber da war etwas, was ich zuerst wissen musste.
» Bevor wir mit den Erklärungen anfangen, darf ich dich etwas fragen?«
» Alles.«
Als ich aufblickte, schob er gerade die Hände in die Taschen seiner Jeans und legte den Kopf schräg. Seiner Haltung nach zu urteilen, fand er mein Verhalten wahrscheinlich recht verwirrend, also stellte ich meine Frage behutsam.
» Bist du … absichtlich von der Brücke gefahren?«
» Ha!« Er stieß eine Art bellendes Lachen aus. » Nicht ganz.«
Es war eigenartig, aber ich hatte das Gefühl, dass er beinahe peinlich berührt wirkte. Ich legte ebenfalls den Kopf schräg und hob eine Augenbraue, um ihn dazu zu ermuntern fortzufahren. Er lachte erneut, ein wenig verlegen, und eine schmeichelhafte Röte kroch über seine Wangenknochen.
» Das Einzige, was ich absichtlich gemacht habe, war, eine dumme Abkürzung zu nehmen.«
Ich zog weiter die Augenbrauen in die Höhe, also fuhr Joshua fort: » Ich bin ein paar Freunden zu einer Party gefolgt. Aus irgendeiner verrückten Laune heraus beschloss ich, allein eine Abkürzung über die High Bridge Road zu nehmen. Ich habe keine Ahnung, warum ich es getan habe. Meine Familie hatte mir praktisch verboten, über die Brücke zu fahren, weil sie so eine Todesfalle ist. Wie dem auch sei, kurz bevor ich auf die High Bridge fuhr, dachte ich, ich hätte
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