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Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Titel: Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hudson
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die Dunkelheit und konnte kein Ende ausmachen. In all dem Schwarz war kein einziger Lichttupfer zu erkennen.
    Es war der dunkelste Punkt in einer ohnehin dunklen Welt.
    Unter der Brücke schien es beinahe zu pulsieren, als handele es sich um ein lebendiges, atmendes Untier, das auf etwas wartete. Auf mich vielleicht.
    Es fiel mir unglaublich schwer, den Blick von dem Abgrund unter der Brücke abzuwenden und voll Entsetzen auf meine Füße hinabzustarren. Sie bewegten sich aus eigenem Antrieb zentimeterweise auf den Fluss zu – von einer unsichtbaren Kraft zu ihm hingezogen. Mit großer Mühe riss ich mich endlich wieder vom Flussrand los.
    Ich wirbelte erneut zu Eli herum, mittlerweile wirklich verängstigt. Verängstigter, als ich es je zuvor gewesen war.
    » Wo bin ich?«, brachte ich schließlich hervor.
    » Du willst es wirklich wissen?«, flüsterte er, und das Glühen in seinen Augen ließ sich nur als boshafte Schadenfreude deuten. Ich nickte mechanisch.
    Zur Antwort ließ Eli den Kopf kreisen und deutete auf unsere düstere Umgebung. » Dies hier ist Teil des Jenseits, Amelia. Hierher sollen die Geister der Toten kommen. Während du herumgeirrt bist, habe ich dich vor diesem Ort beschützt. Aber jetzt kann dich nur eines davor bewahren, hier für immer zu landen.«
    Ich hob eine Augenbraue. Ich hatte das Gefühl zu wissen, was dieses » eine« war. Er bestätigte meinen Verdacht, als er fortfuhr.
    » Ohne mich, Amelia«, behauptete Eli, » wirst du in der Falle sitzen. Ohne mich wirst du die Ewigkeit hier zubringen, nicht in der Lage, dich nach Lust und Laune zwischen den Welten hin- und herzubewegen. Also begreifst du nun, wieso ich ohne jeden Zweifel weiß, dass du mich wieder aufsuchen wirst. Du musst nur auf der High Bridge nach mir rufen … und du wirst es tun, schon bald.«
    Trotz des Entsetzens, das jede Faser meines Körpers befiel, machten Elis Worte mich wütend. Diese selbstherrliche Behauptung, dass ich ihn brauchte, dass ich diesem widerlichen Ort ohne ihn nicht entgehen könnte. Selbst jetzt besaß ich noch die Geistesgegenwart, mich nach seinem eigenen Interesse zu fragen und mir ins Gedächtnis zu rufen, dass dieser tote junge Mann nicht gerade meiner Vorstellung von einem Schutzengel entsprach.
    Ich richtete mich auf, so weit ich konnte, und sah ihm geradewegs in die Augen.
    » Das werden wir sehen, Eli«, murmelte ich. » Das werden wir sehen.«
    Jetzt war es an Eli, eine Augenbraue hochzuziehen. Offensichtlich hatte er diesen Widerstand meinerseits nicht erwartet. Doch statt mich zu rügen, schenkte er mir ein letztes belustigtes Nicken, wirbelte herum und verschwand in Richtung dessen, was einmal der Wald gewesen war.
    Wenn beißende, kalte Winde Elis Eintreffen verkündeten, dann war bei seinem Verschwinden etwas ganz anderes der Fall. Eine Sekunde lang fühlte es sich an, als habe ein Vakuum alles weggesaugt, einschließlich des kalten Winds. Ich spürte gar nichts – keine Kälte, keinen Sturm, noch nicht einmal mich selbst. Im Laufe meines gesamten Daseins hatte ich mich noch nie derart taub gefühlt. Ich hatte einen Erstickungsanfall und umklammerte meine Kehle mit beiden Händen.
    Dann war es vorüber, beinahe so schnell, wie es begonnen hatte.
    Das weiche Grün des Flussufers trat um mich her wieder schimmernd in Erscheinung, und die spätsommerliche Luft strömte sanft in meine Lungen zurück. Nach Atem ringend, brach ich zusammen und stürzte inmitten der Wiese auf Hände und Knie.

6
    I n dieser Nacht verbrachte ich die langsam verstreichende Zeit nicht damit, unsicher auf und ab zu gehen, wie in der Nacht zuvor. Vielmehr kauerte ich völlig reglos am Ufer, ohne den Blick von der Stelle im Wald zu wenden, an der Eli in Erscheinung getreten war. Ich rührte mich auch nicht, als die Morgendämmerung über den Baumwipfeln anbrach. Ich hatte die Hände weiter fest ins Gras gedrückt, stets bereit davonzustürzen, sobald ich wieder jenen kalten Windstoß spürte.
    Schließlich bewegte ich mich doch zögerlich. Zentimeter für Zentimeter erhob ich mich aus meiner verängstigten Haltung, ohne die Bäume vor mir aus den Augen zu lassen. Ich wagte einen raschen Blick nach oben, um abzuschätzen, wie lange ich mich zum Schutz vor dem Unbekannten zusammengekauert hatte. Überrascht blinzelte ich ins Licht.
    Obwohl dicke graue Wolken den Großteil des Himmels bedeckten, war zu sehen, wie in der Mitte zwischen dem Horizont im Osten und dem im Westen gelegentlich ein Sonnenstrahl durch die

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