Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter
Tropf-Tropf-Tropf des undichten Wasserhahns in der Küche hinten im Haus, den Anblick des verblassten Buchstabens A aus rosafarbenem Papier, der mitten an die geschlossene Tür zu meiner Linken geklebt war.
Ich konnte nicht anders. Ein Winseln entrang sich meiner Kehle, und ich presste mir die Hand aufs Herz. Der Schmerz, der meine Brust jetzt gepackt hatte, war neu und bei Weitem nicht so angenehm wie derjenige, den ich bei Joshua verspürte. Dieser Schmerz war schrecklich. Er legte sich eng um meine Lunge, bis ich mich selbst hyperventilieren hörte.
Auf der Stelle hatte Joshua die Arme um meine Taille geschlungen und zog mich an seine Brust. So nah waren wir uns noch nie gewesen, doch mir blieb noch nicht einmal ein Bruchteil meiner Konzentration, um diesen Umstand zu genießen.
» Wir können gehen«, murmelte Joshua mir ins Ohr. » Wir können jetzt gleich gehen.«
Ich schüttelte den Kopf.
» Nein.« Das Wort kam tief und barsch hervor. » Ich kann noch nicht gehen.«
Ich spürte, wie Joshua nickte, während er mich noch näher an sich zog. So blieben wir, bis ich aufhörte zu keuchen. Sobald mein Atem wieder ruhiger ging, ließ Joshua mich los. Er musterte mich von oben bis unten, wobei sein Blick am längsten auf meinem Gesicht verweilte.
» Weißt du«, sagte ich mit einem zittrigen Lachen. » Ich glaube, vielleicht war ich Asthmatikerin, als ich noch lebte. Bei all dem Gekeuche.«
Angesichts meines misslungenen Versuchs, mich locker zu geben, schüttelte Joshua nur den Kopf. » Willst du wirklich bleiben?«
Ich presste die Lippen zusammen und nickte.
» Tja … was willst du dir denn zuerst ansehen?«, fragte er.
Ich dachte einen Moment darüber nach und wies dann mit dem Kopf auf die Tür zu meiner Linken.
» Könnten wir in mein altes Zimmer gehen?«
» O-kay.«
Wie Joshua es immer tat, wenn er einer Sache Argwohn entgegenbrachte, zog er das O in die Länge. Er klang immer noch besorgt, klang immer noch, als sei er sich nicht sicher, dass ich für all das hier bereit war. Ich setzte eine ausdruckslose Miene auf und versuchte, zu allem bereit auszusehen. Als Joshua das sah (aber offensichtlich nicht ganz glaubte), griff er an mir vorbei, um den Knauf meiner alten Zimmertür zu drehen.
Die Tür ging auf, und als sie es tat, entströmte dem Zimmer etwas, womit ich nicht gerechnet hatte.
Ein leichter warmer Luftzug strich über meine Haut. Ich konnte es spüren – die Bewegung und Wärme spüren. Ich konnte die Luft riechen, muffig, weil sie, Gott weiß wie lang, in dem Zimmer eingesperrt gewesen war, aber erfüllt von der schwachen Note eines alten Parfums. Es roch ein bisschen fruchtig … vielleicht nach Pfirsichen oder Nektarinen.
So schnell die Sinneseindrücke über mich hereingebrochen waren, so schnell verschwanden sie wieder und ließen mich taub zurück. Doch die Eindrücke waren da gewesen, das war der springende Punkt. Ich schloss kurz die Augen und kostete den Gedanken aus.
Als ich die Augen wieder aufschlug, stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass ich die Türschwelle bereits überschritten hatte. Ich drehte mich um. Joshua verweilte unsicher im Türrahmen. Lächelnd winkte ich ihn mit einer Hand ins Zimmer.
Das Zimmer war winzig und bot kaum genug Platz für Joshua und mich. An einer Wand stand ein alter Frisiertisch und an einer anderen ein schmales Bett, auf dem sich violette und grüne Kissen türmten. Über dem Bett hing eine Handvoll goldener Papiersterne an Fäden von der Decke. Sie passten zu den Vorhängen, die jemand gegen das Licht zugezogen hatte, sodass das kleine Teleskop, das am Fenster aufgestellt war, nutzlos war.
Selbst in der Düsternis konnte ich die einzige Sammlung von Gegenständen ausmachen, die ich je besessen hatte: meine Bücher. Bücherstapel, vom Boden beinahe bis auf Hüfthöhe und an jedem freien Stückchen Wand des winzigen Zimmers. Ich hatte diese Bücher in Secondhandbuchläden, Ramschkörben, Büchereiverkäufen aufgestöbert. Jedes Buch war gelesen, noch einmal gelesen und dann mit Liebe auf einen Stapel gelegt worden.
Wieder presste ich die Hand aufs Herz. Diesmal spürte ich nicht das Verlangen, aufzukeuchen oder zu schluchzen. Ich fühlte mich … traurig, ja. Tief, tief traurig. Aber auch froh, das alles wiederzusehen. Zu wissen, dass ich existiert hatte. Dass ich immer noch existierte, wenigstens in irgendeiner Form.
Ich lächelte ein wenig, drehte mich zu Joshua um und nickte in Richtung Flur zum Zeichen, dass es an der Zeit
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