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Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Titel: Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hudson
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war, das Zimmer zu verlassen. Er verstand den Wink und drehte sich rasch um – erpicht darauf, glaube ich, diese Bilder hinter sich zu lassen. Das Gefühl kenne ich, dachte ich, als ich mich in Bewegung setzte, um ihm zu folgen.
    Doch bevor ich das Zimmer verließ, warf ich einen letzten Blick über die Schulter. Bloß um mir den winzigen Raum einzuprägen, ein letztes Mal.
    Da fiel mir die dicke Staubschicht auf, die alles bedeckte – die Goldsterne, den Frisiertisch, die Bücher. Ich hielt inne und runzelte angesichts des Staubs die Stirn.
    Meine Eltern hatten zwar nicht das Geringste in dem Zimmer verändert, aber sie hatten es gewiss auch lange Zeit nicht betreten.
    Aus irgendeinem Grund machte mich das noch trauriger. Nicht, weil meine Mutter sich nicht, das Staubtuch gezückt, jeden Tag in ein mir geweihtes zimmergroßes Heiligtum schleppte. Sondern, weil meine Eltern das Zimmer so belassen und es quasi versiegelt hatten, als handele es sich um eine Art Gruft, voller Dinge, die zu schmerzvoll waren, als dass man sich ihnen nähern könnte.
    Wahrscheinlich war dem auch so.
    Mit einem Kopfschütteln trat ich aus dem Zimmer in den Flur, ohne einen weiteren Blick zurückzuwerfen.
    » Mach sie bitte zu«, sagte ich zu Joshua mit heiserer Stimme. Wortlos zog er die Tür hinter mir zu, sodass die Gruft wieder verschlossen war. Bei dem Geräusch erschauerte ich.
    Joshua kam und stellte sich neben mich. Ich blickte grimmig zu ihm empor, zu ausgelaugt, um auch nur ein Lächeln zu versuchen.
    » War das schwer?«, fragte er.
    Ich nickte bloß.
    » Falls es dir damit besser gehen sollte: Ich glaube, du hast beinahe so viele Bücher wie ich.«
    » Hatte«, sagte ich. » Ich hatte beinahe so viele Bücher wie du.«
    Seine Augen weiteten sich. » Amelia, du kannst alle meine Bücher haben.«
    » Was super wäre, wenn ich je die Seiten umblättern könnte.«
    Joshua senkte den Kopf, und auf der Stelle schämte ich mich.
    Ich senkte ebenfalls den Kopf, sah ihm in die Augen und schenkte ihm ein schmales Lächeln. » Aber weißt du, Joshua, ganz egal, wie es mir im Moment geht, es ist trotzdem gut zu wissen.«
    » Hoffentlich.« Er erwiderte mein Lächeln zaghaft.
    Ich tat einen gewaltigen Atemzug, zog die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen. Ich fühlte mich verwundbar und seltsam verletzt. Doch es galt noch andere Dinge anzusehen.
    » Hast du was dagegen, wenn wir uns ganz kurz das Wohnzimmer ansehen? Ich glaube … meine Mom hat dort immer ein paar Bilder aufbewahrt.«
    » Überhaupt nicht.« Joshua machte eine auffordernde Bewegung mit dem Arm, also ging ich voran in das Zimmer. Ich ließ den Blick über die Wände schweifen, bis ich es fand: das kleine Regalbrett, das meine Mutter an der hinteren Wand installiert hatte, anstelle eines Kaminsimses.
    Joshua und ich schlängelten uns zwischen Sesseln und Sofas hindurch, bis wir direkt vor dem Regalbrett standen. Darauf verstreut standen immer noch dieselben Bilder, in billiges Plastik oder Holz gerahmt. Außerdem schmückten ein paar neue Gegenstände diesen Bereich, am auffälligsten die beiden großen Fotos, die jetzt über dem Regal hingen.
    Das linke Foto erkannte ich sofort wieder. Es war mein Oberstufenbild, genau das, auf das Joshua und ich am Nachmittag in dem Jahrbuch gestoßen waren. Mein lebendiges Gesicht starrte uns entgegen, umgeben von einem teuer aussehenden Holzrahmen. Zu meinem Entsetzen hatte jemand breite schwarze Bänder um den Rahmen drapiert. Das Band auf der linken Seite war in silbernen, metallischen Lettern mit meinem Namen bedruckt, das Band rechts verkündete meinen Geburtstag und meinen Todestag. Auf diese Weise hatte man das ansonsten hübsche Bild in ein makabres Andenken verwandelt, wie man es vielleicht an jemandes Grab anbringen würde.
    Der peinliche Pomp war jedoch nicht das, was mich am meisten entsetzte. Sondern das andere Bild, das über dem Regalbrett hing, gleich rechts neben meinem.
    Das Foto an sich jagte mir keine Angst ein. Unter anderen Umständen hätte es mir ein Lächeln entlockt. Das Foto zeigte meinen Vater, um die Zeit, als er und meine Mutter geheiratet hatten. Damals hatte mein Vater immer noch einen dichten Haarwust gehabt. Seine braun gebrannte Haut war weniger faltig, als ich sie in Erinnerung hatte, doch um seine grünen Augen bildeten sich dennoch Fältchen aufgrund seines gewaltigen Grinsens.
    Doch trotz der Glücksstimmung auf dem Foto meines Vaters zitterte ich unbeherrscht.
    Denn wie mein Oberstufenporträt

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