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Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Titel: Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hudson
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und erblühten in grellen weißen Blitzen hinter meinen Augen. Die Blitze pulsierten wie Stroboskoplichter in meinem Gehirn, leuchteten immer wieder auf, bis sie sich jäh veränderten.
    Statt weißer Blitze sah ich nun Bilder, die ebenfalls in schneller Folge an meinen Augenlidern vorbeizogen. Wie eine Art Montage, bei der ein Bild so schnell nach dem anderen kam, dass ich von jedem nur ein oder zwei Einzelheiten wahrnehmen konnte: die Fältchen um die Augen meines Vaters; hohes, hin und her wogendes Gras; eine dunkle Haarsträhne meiner Mutter; ein Aufblitzen von etwas Metallenem. Die Bilder wurden schneller und verschwammen, bis ich bald überhaupt keine Einzelheiten mehr erkennen konnte.
    » Aufhören«, stöhnte ich und packte meine Haare so heftig mit den Fingern, dass auch meine Kopfhaut wehtat.
    Zu meiner Überraschung hörten die Kopfschmerzen sofort auf. Die Bilder verschwanden, und die Schmerzen vergingen so schnell, als wären sie nie da gewesen.
    Ohne die Hände von meinem Kopf zu nehmen, machte ich die Augen auf und spähte zu Ruth empor. Sie starrte mich immer noch mit angespanntem Lächeln an, doch jetzt tanzte etwas Mächtiges und Boshaftes in ihren Augen.
    » Läuft das Leben vor deinen Augen ab, Liebes? Das ist bloß ein Vorgeschmack auf das, was dich morgen Nacht erwartet«, flüsterte sie. Sie machte mit dem Kopf eine ruckartige Bewegung hinüber zu dem Flur hinter mir. » Dieses Haus steht dir fortan nicht mehr offen. Jetzt verschwinde!«
    Ich bedurfte keiner weiteren Anweisungen. Hastig stand ich auf, wobei ich beinahe über meine eigenen Füße gestolpert wäre, und flüchtete durch den Korridor.
    Kurzzeitig stieg Panik in mir hoch, weil ich mir nicht sicher war, wie ich das Haus der Mayhews ohne Hilfe verlassen sollte. Doch als ich zur Hintertür blickte, bemerkte ich, dass mir die Hilfe bereits gewährt worden war.
    Am Boden stand ein gewaltiges Buch, aufrecht eingeklemmt zwischen Tür und Pfosten. Dem abgenutzten Ledereinband nach zu urteilen, war das Buch alt und wahrscheinlich recht teuer. Es war mit einem Kranz aus getrockneten Kräutern und Blumen umwunden, der es zuband. Ich konnte gerade noch die Wörter DIE BIBEL ausmachen, die in Gold auf dem Einband standen.
    Zweifellos Ruths Werk. Zum Schutz gegen jegliches Böse, das ich im Schilde führen könnte. In seiner jetzigen Position – so eingeklemmt, dass ein dünner Mensch gerade durch die Tür passte – übermittelte das Buch außerdem eine klare Botschaft.
    Verschwinde, totes Mädchen.
    » Dein Wunsch ist mir Befehl, Ruth«, murmelte ich zitternd und schlüpfte durch den Spalt.
    Am Flussufer ging ich auf und ab. Einerseits wollte ich nicht zu nahe am Rand des Wassers gehen, andererseits wollte ich mich auch nicht zu weit davon entfernen. Das Ufer selbst war leer, abgesehen von mir und ein paar zirpenden Grillen.
    » Ich bin hier!«, rief ich, sodass meine Stimme von der Oberfläche des Flusses widerhallte. » Du hast gesagt, ich würde zum Reden wiederkommen, und du hast recht gehabt. Also lass uns reden.«
    Zur Antwort erhielt ich nur das Rascheln der Blätter. Mit einem Seufzen ging ich hektischer auf und ab.
    » Hallo? Jemand da? Muss ich einen Regentanz aufführen oder so was?«
    » Nur, wenn du willst, dass es regnet.«
    Kalte Luft wogte über mich hinweg und brandete an meinem Körper empor, bis sie schließlich an der empfindlichen Haut meiner nackten Schultern und meines Halses aufwogte. Ich wollte zittern, doch noch dringender wollte ich Eli gegenüber eine starke Fassade zur Schau stellen. Also blieb mein Gesicht ausdruckslos, als ich mich umdrehte.
    Eli stand am Ufer, wo bis eben nichts außer hohem Gras und Schlamm gewesen war. Er verschränkte die Arme vor der Brust – er spiegelte damit die Haltung wider, die ich bei seinem Kommen unwillkürlich angenommen hatte – und beugte sich mit einem verschwörerischen Grinsen vor.
    » Hi, Amelia.«
    » Hi, Eli«, antwortete ich, offensichtlich in weniger belustigtem Tonfall.
    » Also«, sagte er mit einem kaum verhohlenen Lachen in der Stimme. » Was kann ich an diesem schönen Morgen für dich tun?«
    Beim Anblick seines selbstgefälligen Grinsens büßte ich einen Bruchteil meines Selbstbewusstseins ein. Doch ich zwang mich, mich zu räuspern und gerade aufzurichten. » Ich habe ein paar Fragen an dich.«
    » Beispielsweise?«
    Die aufrichtige Neugier in seinem Tonfall, der gewöhnlich so selbstgefällig klang, überraschte mich. Vielleicht würde das hier nicht so

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