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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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dass auch sie bereit zum Aufbruch war – das sagte ihm das verstohlene Lächeln, das sie ihm zuwarf, als er unterschrieb und seinen Stuhl zurückschob. Er zog den Tisch vor, damit sie bequem aufstehen konnte und legte den Arm um ihre Taille, während sie zur Tür gingen.
    Der schwarze Kaschmirpullover fühlte sich weich an, ihr Körper darunter wohlgerundet und fest. Als sie ins Freie traten, war die Luft eisig – doch man merkte bereits, dass es binnen weniger Tage wärmer sein würde. Der Himmel war mit Sternen übersät, die trotz des Lichtermeers auf dem Bannister Wharf zu sehen waren.
    Statt zum Auto zu gehen, führte er sie auf den Kai hinaus, auf die überwölbte Passage zwischen den Geschäftsgebäuden mit den Schindeldächern. Im Sommer wimmelte es hier von Menschen – Seeleute von den Schiffen, Logiergäste der Pensionen über den Läden, Paare, die nach dem Abendessen einen Verdauungsspaziergang machten. An diesem Abend wehte ein kühler Wind vom Hafen herüber, und sie hatten die Straße für sich allein.
    Er hatte sich unendlich müde gefühlt. Ausgelaugt bis auf die Knochen. Selbst das Atmen hatte er als Anstrengung empfunden. Der Anblick der Sonne und das Wissen, dass Frank sie nie mehr sehen würde, hatten in ihm den Wunsch geweckt, zu schlafen und nie wieder aufzuwachen. Der Anblick der Familien, die im Sommer zum Schwimmen an den Refuge Beach kamen, während Frank nie mehr im Meer baden würde, verursachte einen Schmerz, der unter die Haut ging. Und der Gedanke, wie Frank gestorben war. Das alles hatte bewirkt, dass er sich unendlich müde fühlte.
    Doch nun war er hellwach. Die Sterne leuchteten am Himmel. Er brannte lichterloh. Neve gab ihm das Gefühl, lebendiger zu sein als je zuvor in seinem Leben. Er hätte nie geglaubt, so viel empfinden zu können, nicht nach der Trauer und der Erschöpfung, die ihn mit eisernem Griff gefangen hielt. Wachte oder träumte er?
    Er spürte die Nervosität, die er aus jeder Pore verströmte. Sein Herz raste; merkte sie es ihm an? Sie gingen dicht nebeneinander, er hatte den Arm um sie gelegt. War das sein Herzschlag oder ihrer? Als er sie verstohlen anblickte, sah er, dass sie genauso nervös zu sein schien. Sie betraten beide Neuland.
    »Wollen wir umkehren?«, fragte er.
    Er meinte, zurück zum Auto – es wurde kalt, und sobald sie das Ende der Häuserzeile erreicht hatten, befanden sie sich an der Spitze des Kais, wo um diese Jahreszeit noch keine Boote lagen, um sie vor dem rauhen Wind zu schützen, der nun in breiter Front vom Hafen herüberwehte. Doch noch während er die Frage stellte, wurde ihm bewusst, dass er eigentlich etwas anderes meinte – Wollen wir zurück und so tun, als sei nichts geschehen?
    »Ich möchte nirgendwo anders sein als hier.« Sie trat näher an ihn heran und sah zu ihm empor. »Mit dir.«
    »Ich auch.«
    Er beugte sich zur ihr hinab, streifte ihre Lippen. Er war sich nicht sicher, ob er sich erinnerte, wie man küsst, und befürchtete, dass sie sich ungeschickt anstellen würden, wie Teenager, oder wie beim ersten Rendezvous. Aber es kam ihm völlig natürlich vor, wie sie die Hand ausstreckte und sein Gesicht berührte, sich an ihn schmiegte, als wäre das ihr angestammter Platz.
    Ihr Mund war warm, zuerst noch zögerlich – vielleicht war er es aber auch, der sich zurückhielt. Doch plötzlich gab es kein Zögern mehr, nur noch ihn und Neve und eine alles verzehrende Sehnsucht. Sie schien sich in ihm aufgestaut zu haben, denn nun brach sie aus ihm heraus – überflutete ihn mit Begehren.
    An das vom Salzwasser gegerbte Schindelgebäude gelehnt, spürten sie, wie der Kai unter ihren Füßen schwankte, spürten den Rhythmus der Wellen, sanfter als sein Herzschlag, hielten sich umschlungen und küssten sich, leidenschaftlich oder auch zärtlich, er war darüber hinaus, sich über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen, war nur noch Gefühl, wünschte sich, der Augenblick möge bis in alle Ewigkeit währen.
    Und nie mehr enden.
    Nie mehr.
    Aber er endete. Er spürte, wie sie heftig zitterte – obwohl der Frühling in der Luft lag, hatte der Winter den Hafen noch fest im Griff, hatte die nördliche Bucht und die Flüsse mit Eis überzogen, so dass selbst hier, unweit der Einfahrt zur Narragansett Bay, die relativ warme Strömung des Atlantiks nicht verhindern konnte, dass die Temperatur in der Nacht fiel.
    »Hier.« Er zog seine Jacke aus und legte sie ihr um die Schultern.
    »Du wirst frieren.«
    Er schüttelte den

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