Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
Damien.«
Sie sah das Zitat lange an. Nirgendwo wurde erwähnt, dass Damien und Berkeley identisch waren, aber der Hinweis war da, zwischen den Zeilen, schwarz auf weiß. Der Bericht enthielt Einzelheiten über Damiens Einsätze im Jagdbombergeschwader 492, dessen Verluste schwerer gewesen waren, als anderer Staffeln der Eight Air Force, und dass er nach Auskunft seines Bruders ein vielversprechender Maler gewesen sei, der nach seiner Rückkehr aus dem Krieg nie mehr einen Pinsel angerührt hatte.
Gegen Mittag geschahen zwei Dinge gleichzeitig: Das Telefon läutete, und Chris kam zur Tür herein. Neve winkte ihr zu und forderte sie mit einer Geste auf, auf dem Stuhl neben ihr Platz zu nehmen; dann nahm sie den Hörer ab.
»Galery Dominic di Tibor.«
»Hallo, Neve – ich bin’s, Tim.«
»Oh, hallo.« Ihr Herz klopfte. Sie rückte mit ihrem Stuhl ein kleines Stück von Chris weg. »Es war sehr schön, gestern Abend.«
»Das finde ich auch. Deshalb rufe ich an. Was machst du nach Feierabend?«
»Vermutlich nach Hause fahren und das Abendessen für Mickey zubereiten.« Sie hielt inne, war sich bewusst, dass Chris die Ohren spitzte, obwohl sie vorgab, einige Computerausdrucke auf ihrem Schreibtisch zu lesen.
»War gestern Abend alles in Ordnung mit ihr?«
»Ja«, erwiderte sie, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach.
»Hat es ihr nichts ausgemacht, dass ich ihre Mutter ausgeführt habe?«
»Nun, das ist eine längere Geschichte.« Neve dachte daran, wie still Mickey gewesen war, als sie zur Tür hereinkam. Später hatte sie gehört, wie sie mit Shane telefonierte, nachdem sie gesagt hatte, sie ginge zu Bett. Neve hatte gehört, wie sie ihn fragte, ob er glaube, dass die Liebe zwischen Menschen ein Leben lang währen könne – ähnlich wie bei Schwänen.
»Ich hoffe, dass sie sich daran gewöhnt. Ich möchte dich wiedersehen.«
»Ich dich auch.« Sie warf Chris einen raschen Blick zu, die in dem Ausdruck des Artikels über Joe und Damien vertieft zu sein schien.
»Können wir uns Freitagabend treffen?«
»Ich denke schon. Ich werde sehen, was sich machen lässt.«
»Komm zu mir an den Strand. Ich koche.«
»Gerne. Dann bis Freitagabend.« Sie verabschiedeten sich und Neve legte auf.
»Meine Güte.« Chris deutete mit dem Artikel auf das Telefon. »Nur noch O’Casey weit und breit. Du musst mir alles haarklein erzählen.«
Neve lächelte, fühlte sich in ihrem tiefsten Inneren ruhig und gelassen. Als Teenager hatte sie es genossen, sich mit ihrer besten Freundin über die Jungen zu unterhalten, die ihr gefielen; auf diese Weise konnte man die Glut schüren, die Gefühle lebendig erhalten. Je mehr sie darüber redete, desto stärker waren die Empfindungen. Doch dieses Mal war es anders. Ihre Gefühle für Tim waren intensiv und sehr persönlich, ihre Sehnsucht nach ihm so groß, dass es ihr beinahe Angst machte.
»Es war schön«, sagte sie mit einem Unterton, der jede weitere Nachfrage verbot.
Chris musterte sie zufrieden. »Wirklich? Das freut mich, Neve. Das freut mich sehr.«
»Er ist …« Sie suchte nach Worten. Aber sie fand keines, das auf Tim zutraf, zumindest kein Wort, das sie laut aussprechen wollte. Sie schüttelte den Kopf.
»Schon kapiert, Schätzchen.«
»Wie hat Mickey gestern Abend reagiert?«
»Sie war ziemlich wortkarg. Ich habe sie am Strand abgeholt – sie saß mit Shane auf dem Pier und beobachtete eine Schar Schwäne, die unmittelbar hinter der Brandung schwammen. Ich habe angeboten, ihn mitzunehmen, aber er meinte, er sei mit dem Fahrrad da. Kannst du dir das vorstellen … anscheinend fährt er mit dem Brett unter dem Arm Fahrrad!«
»Er ist eben mit Leib und Seele Surfer.« Neve dachte daran, was Mickey zu Shane über Schwäne gesagt hatte. »Das muss ich zugeben.«
»Du magst ihn nicht?«
»Das ist es nicht. Ich bin nur … Ich glaube, dass sich Mickey Hals über Kopf verliebt hat … zum ersten Mal.«
»Ist das so schlimm?«
Neve betrachtete das Berkeley-Aquarell, das an der Wand lehnte, eines ihrer Lieblingsbilder; es zeigte ein Fischadlerweibchen, das seine Jungen fütterte. Ihr gefielen die Zartheit der Farben, die Vertrautheit der Landschaft, die Mutter-Kind-Bindung, die es zum Ausdruck brachte. In der Zeit vor Tim hatte das Bild sie noch aus einem anderen Grund angesprochen – die Mutter war alleine.
»Sich zu verlieben ist gefährlich«, sagte sie.
»Ach, Neve. Nicht alle Männer sind wie Richard.«
»Ich weiß.« Sie dachte an
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