Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
Tim.
»Was stimmt nicht mit ihm?«
»Ich möchte nur, dass Mickey glücklich ist. Und sicher. Shane ist in allem so extrem. Sie setzen sich beide mit voller Kraft für den Strand ein, damit alles beim Alten bleibt, machen sich für die Rettung des U-Boots stark. Diese gemeinsamen Interessen verbinden sie – sie ziehen sich geradezu magnetisch an. Aber wie geht es weiter, wenn das U-Boot verschwunden ist? Wenn Shanes Surferparadies zerstört ist und es keinen Kampf mehr gibt, der sie zusammenschweißt?«
»Neve, warum tust du das?« Chris lächelte.
»Was denn?«
»Alles schlechtreden. Ich sehe dir an, dass der gestrige Abend traumhaft war. Wenn du mir nichts darüber erzählen willst, auch gut – aber du glühst geradezu, weißt du das? Deine Augen strahlen, deine Wangen sind rosig angehaucht, du siehst aus, als würdest du das größte Geheimnis der Welt hüten. Du bist diejenige, die sich verliebt hat, und du hast tierische Angst.«
»Nein.« Neve schüttelte den Kopf.
»Die Beziehung zu Richard hat dich traumatisiert. Du hast ihn geliebt – es war eine Bilderbuchhochzeit; ich muss es wissen, denn ich war deine Brautjungfer, erinnerst du dich? Er war attraktiv, charmant, amüsant, und wir dachten alle, du hättest das große Los gezogen.«
Neve schloss die Augen und dachte an »das große Los«. An guten Abenden bekam sie einen Anruf vom Barmixer, der ihr sagte, Richard sei zu betrunken, um Auto zu fahren, sie möge bitte kommen und ihn abholen; an schlechten Abenden hatte sie keine Ahnung, wo er sich herumtrieb, lag im Bett, starrte an die Decke und stellte ihn sich in den Armen einer anderen Frau vor, oder tot in einem Graben liegend.
»Wie überwindet man eine solche Enttäuschung?«, fuhr Chris fort. »Ganz zu schweigen von diesem Monat, der mit einer Gerichtsverhandlung begann, wo du ihn – wieder einmal – wegen der versäumten Unterhaltszahlungen belangen musstest! Neve, verzeih dir selbst, dass du den Glauben an die Liebe verloren hast, aber gib diese Einstellung nicht an Mickey weiter. Lass sie ihre eigenen Erfahrungen machen.«
»Shane erinnert mich an Richard«, gestand Neve. »Zumindest an die Art, wie Richard am Anfang war. Er hat so etwas Ungebändigtes, so etwas Hoffnungsvolles an sich.«
»Was ist verkehrt daran, ungebändigt und hoffnungsvoll zu sein?« Chris lächelte. »Scheinen doch ganz positive Eigenschaften zu sein.«
Neve erwiderte das Lächeln. Dieser Punkt ging an Chris. Enttäuschung war ein machtvolle Empfindung, die Neve so lange gefangen gehalten hatte. Gestern Abend war etwas anderes in ihr entfacht worden, das sie seit Ewigkeiten – vielleicht seit Jahren – nicht mehr verspürt hatte: Begehren. Und Begehren, zumindest wie sie es kannte, war nicht nur völlig ungebändigt, sondern auch mit Hoffnung erfüllt.
»Apropos Gericht«, sagte Chris. »Wir müssen Richard finden, unbedingt.«
»Wieso?«
Chris schwieg einen Moment, musterte die Ausdrucke auf Neves Schreibtisch, druckste herum, als wüsste sie nicht, wie sie es am besten sagen sollte. »Mickeys Klasse macht einen Ausflug nach Washington«, sagte sie schließlich.
»Sie hat mir kein Sterbenswort davon erzählt!«
»Ich weiß. Es ist ihr zufällig herausgerutscht, als wir den Imbiss nach dem Essen verlassen wollten und Josh Landry zur Tür hereinkam; er fragte, ob sie es sich nicht noch einmal überlegen und doch mitkommen wolle. Als ich nachhakte, meinte sie, du hättest das Geld nicht und sie wolle dich – oder ihren Vater – nicht noch mehr unter Druck setzen.«
»Aber es geht doch nicht, dass sie die Klassenfahrt sausenlässt!«
»Wenn Richard seinen Verpflichtungen nachkäme, wäre das kein Problem.«
»Der Gedanke, dass Mickey Angst davor hat, ihren Vater unter Druck zu setzen, bringt mich zur Weißglut.«
»Ich habe ihr versprechen müssen, dir nichts zu sagen.«
»Danke.« Neve zitterte. »Ich bin froh, dass du es getan hast. Sie nimmt an der Klassenfahrt teil, und wenn ich die Kameenbrosche meiner Großmutter ins Pfandhaus tragen muss.«
»Wenn du das tust, bringe ich dich um. Ich helfe aus, was die Klassenfahrt angeht.«
»Das kann ich nicht zulassen.« Neve sah sie dankbar an. »Im Ernst, wie teuer kann das sein? Ein paar hundert Dollar – und darum konnte sie mich nicht bitten?« Ihre Gedanken überschlugen sich – wie hatte Mickey es geschafft, dieses Geheimnis für sich zu behalten? Wieso glaubte sie plötzlich, sich ihrer Mutter nicht anvertrauen zu können? Sie hätten
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