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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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schleicht, durch diese schläfrige Atmosphäre, die so dicht ist, dass sie sich massiv anfühlt, durch dieses Schlaflied aus quietschenden Holzdielen und leise zischenden Heizkörpern hindurch und den langsamen Umdrehungen von Menschen, die sprachlos umeinander kreisen … und dann … peng.
    Mrs Sykes begleitet mich zurück zur Tür. »Du kannst gerne morgen wiederkommen«, sagt sie. »Ich bin sicher, dass Juliet bis dahin alles fertig hat. Sie ist normalerweise sehr gewissenhaft. Ein gutes Mädchen.«
    Â»Klar. Morgen.« Ich spreche das Wort nicht gerne aus und winke schnell zum Abschied, bevor ich durch die Dunkelheit zurück zum Auto renne.
    Es ist sogar noch kälter als vorhin. Die Regentropfen, die fast gefroren sind, prallen von der Motorhaube ab, während ich dasitze und darauf warte, dass der Motor warm wird, mir zitternd in die Hände puste und froh bin, da raus zu sein. Jetzt, da ich aus dem Haus bin, kann ich wieder freier atmen, als wären die Atmosphäre und der Luftdruck da drinnen anders, drückender. Mein erster Eindruck war richtig: Es ist wirklich ein verzweifeltes Haus. Ich sehe, wie sich der Umriss von Juliets Mutter am Fenster abzeichnet, und frage mich, ob sie darauf wartet, dass ich wegfahre, oder darauf, dass ihre Tochter nach Hause kommt.
    Da fasse ich einen Entschluss. Ich weiß, was ich tun werde. Ich fahre zu Kent und schnappe mir Juliet, und wenn es nötig ist, gebe ich ihr eine Ohrfeige. Ich werde ihr klarmachen, wie dumm die Idee ist zu sterben. (Für mich ist das alles andere als ein Vergnügen.) Wenn es nicht anders geht, fessele ich sie auf den Rücksitz meines Autos, damit sie die Waffe nicht in die Finger kriegt.
    Mir wird klar, dass ich noch nie wirklich etwas Gutes für jemanden getan habe, zumindest schon lange nicht mehr. Manchmal arbeite ich ehrenamtlich für Essen auf Rädern, aber nur, weil die Colleges auf so was stehen. Die Boston University erwähnt in ihrem Bewerbungsportal im Internet Ehrenämter sogar explizit. Und natürlich bin ich nett zu meinen Freundinnen und mache großartige Geburtstagsgeschenke (einmal habe ich anderthalb Monate damit verbracht, kuhförmige Salzstreuer für Ally zu sammeln, weil sie auf Kühe und Salz steht). Aber ich tue normalerweise nichts Gutes einfach nur so. Das hier wird jetzt meine gute Tat.
    Dann kommt mir ein undeutlicher Gedanke. Ich erinnere mich daran, wie wir in Literaturkunde Dante durchgenommen haben und Ben Gowan ständig fragte, ob die gepeinigten Seelen im Fegefeuer eigentlich irgendwann in die Hölle geworfen würden (Ben Gowan ist mal drei Tage vom Unterricht suspendiert worden, weil er ein Bild gemalt hatte, auf dem unsere Schulmensa von einer Bombe in die Luft gesprengt wird und überall abgerissene Köpfe herumfliegen, das heißt, für ihn war das eine ganz normale Frage), und Mrs Harbor ließ sich natürlich sofort auf dieses Thema ein und sagte, nein, das sei unmöglich, aber dass einige moderne christliche Denker glaubten, man könne vom Fegefeuer in den Himmel aufsteigen, sobald man seine Sünden genug gebüßt habe. An den Himmel habe ich nie geglaubt. Es klang eigentlich immer ziemlich verrückt: Alle sind glücklich vereint, Fred Astaire und Einstein tanzen Tango auf den Wolken und so Zeug.
    Allerdings habe ich auch nie geglaubt, dass ich ewig einen Tag durchleben müsste. Es ist auch nicht verrückter als das, was mir schon passiert ist. Vielleicht geht es einfach darum, dass ich beweisen muss, ein guter Mensch zu sein. Vielleicht muss ich beweisen, dass ich es verdiene, weiter aufzusteigen.
    Vielleicht ist Juliet Sykes das einzige Hindernis zwischen mir und einer Ewigkeit aus Schokoladenbrunnen und perfekter Liebe und Typen, die auch wirklich anrufen, wenn sie sagen, dass sie das tun, und Bananen-Eisbechern, die Kalorien verbrennen.
    Vielleicht ist sie mein Ausweg.
    VIEL ZU SPÄT
    Ich biege gar nicht in Kents Zufahrt ab. Ich habe nicht vor, lange zu bleiben, und ich will nicht zugeparkt werden. Außerdem finde ich die Aussicht darauf, im Regen durch den Wald zu stapfen, irgendwie attraktiv. Es ist eine Probe, noch eine weitere Möglichkeit, Opfer zu bringen. Und von meinen sehr beschränkten Erinnerungen an die Sonntagsschule (meine Mutter hat den Kampf aufgegeben, als ich mit sieben einen tierischen Tobsuchtsanfall bekam und damit drohte, zum Voodoo zu konvertieren, obwohl ich gar nicht

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