Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
Vom Netzwerk:
nervös, hickst und ist still. Ally macht den Mund auf und zu wie ein Fisch, aber es kommt nichts heraus. Lindsay ballt die Fäuste, als hätte sie vor, Juliet ins Gesicht zu schlagen.
    Und obwohl ich wütend und peinlich berührt bin, ist das Einzige, woran ich bei Juliets Anblick denken kann: Ich wusste gar nicht, dass du so hübsch bist.
    Lindsay reißt sich zusammen. Sie beugt sich vor, so dass ihr Gesicht nur Zentimeter von Juliets entfernt ist. Ich habe sie nie so wütend erlebt und glaube, ihr fallen gleich die Augen aus dem Kopf. Sie verzieht knurrend ihren Mund wie ein Hund. Einen Augenblick lang ist sie wirklich und wahrhaftig hässlich.
    Â»Besser ein Miststück als ein Psycho«, zischt sie und packt Juliet am T-Shirt. Sie versprüht Spucke beim Sprechen, so wütend ist sie. Dann schubst sie Juliet und Juliet stolpert gegen Matt Dorfman. Der stößt Juliet auch und sie saust in Sarah Fishman. Lindsay beginnt zu schreien: »Psycho, Psycho«, und macht die kreischenden Messergeräusche aus dem Film nach, und plötzlich schreien alle »Psycho!« und schwingen ein unsichtbares Messer und kreischen und schubsen Juliet hin und her. Elody ist die Erste, die ihr ein Bier über den Kopf kippt, aber auch das machen alle nach; Lindsay bespritzt sie mit Wodka und als Juliet halb durchnässt und mit ausgestreckten Armen auf mich zustolpert und versucht, ihr Gleichgewicht wiederzugewinnen, schnappe ich mir einen halb vollen Becher Bier vom Fensterbrett und gieße ihn über ihr aus. Ich merke gar nicht, dass ich mit allen anderen schreie, bis ich heiser bin.
    Juliet sieht zu mir auf, nachdem ich das Bier ausgekippt habe. Ich kann es nicht erklären – es ist verrückt –, aber es ist beinahe ein mitleidiger Blick, als täte ich ihr leid.
    Auf einmal strömt mein ganzer Atem aus mir heraus und ich habe das Gefühl, als hätte mich jemand in den Magen geboxt. Ohne nachzudenken, gehe ich auf sie los und schubse sie, so fest ich kann. Sie stürzt nach hinten gegen ein Bücherregal, das beinahe umkippt. Ich habe sie auf die Tür zugestoßen, und während alle immer noch kreischen und lachen und »Psycho« schreien, läuft sie aus dem Zimmer. Sie muss sich an Kent vorbeiquetschen, der gerade hereingekommen ist, wahrscheinlich um nachzusehen, was es mit dem Geschrei auf sich hat.
    Einen Moment begegnen sich unsere Blicke. Ich weiß nicht genau, was er denkt, aber es ist auf jeden Fall nichts Gutes. Ich gucke weg und mir ist heiß und unbehaglich zu Mute. Alle sind plötzlich energiegeladen, sie lachen und reden über Juliet, aber meine Atmung beruhigt sich gar nicht wieder und ich spüre, wie mir der Wodka im Magen brennt und die Kehle wieder hinaufkriecht. Es ist stickig hier drin und der Raum dreht sich schneller als vorher. Ich muss an die frische Luft.
    Ich versuche mich nach draußen zu drängen, aber Kent stellt sich vor mich und versperrt mir den Weg.
    Â»Was sollte das denn?«, fragt er.
    Â»Würdest du mich bitte vorbeilassen?« Ich bin nicht in der Stimmung, mich mit irgendjemand abzugeben, und ganz besonders nicht in der Stimmung, mich mit Kent und seinem bescheuerten Hemd abzugeben.
    Â»Was hat sie dir getan?«
    Ich verschränke die Arme. »Alles klar. Du bist mit Psycho befreundet. Ist es das?«
    Er kneift die Augen zusammen. »Ziemlich origineller Spitzname. Hast du dir den ganz allein ausgedacht oder mussten dir deine Freundinnen dabei helfen?«
    Â»Geh mir aus dem Weg.« Es gelingt mir, mich an ihm vorbeizuzwängen, aber er hält mich am Arm fest.
    Â»Warum?«, fragt er. Wir stehen so nah beieinander, dass ich das Pfefferminz riechen kann, das er gerade gegessen hat, und das herzförmige Muttermal unter seinem linken Auge sehe, obwohl alles andere unscharf und verschwommen ist. Er sieht mich an, als wollte er etwas unbedingt verstehen, und das ist schlimmer, viel schlimmer als alles andere bisher – als Juliet oder seine Wut oder das Gefühl, dass mir jeden Moment schlecht wird.
    Ich versuche seine Hand abzuschütteln. »Du kannst nicht einfach die Leute angrapschen. Du kannst mich nicht einfach angrapschen. Ich habe einen Freund.«
    Â»Schrei mich nicht an. Ich versuche bloß …«
    Â»Hör zu.« Es gelingt mir, mich loszumachen. Ich weiß, dass ich zu laut und zu schnell rede. Ich weiß, dass ich hysterisch klinge, aber ich kann nichts

Weitere Kostenlose Bücher