Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie
nervös, hickst und ist still. Ally macht den Mund auf und zu wie ein Fisch, aber es kommt nichts heraus. Lindsay ballt die Fäuste, als hätte sie vor, Juliet ins Gesicht zu schlagen.
Und obwohl ich wütend und peinlich berührt bin, ist das Einzige, woran ich bei Juliets Anblick denken kann: Ich wusste gar nicht, dass du so hübsch bist.
Lindsay reiÃt sich zusammen. Sie beugt sich vor, so dass ihr Gesicht nur Zentimeter von Juliets entfernt ist. Ich habe sie nie so wütend erlebt und glaube, ihr fallen gleich die Augen aus dem Kopf. Sie verzieht knurrend ihren Mund wie ein Hund. Einen Augenblick lang ist sie wirklich und wahrhaftig hässlich.
»Besser ein Miststück als ein Psycho«, zischt sie und packt Juliet am T-Shirt. Sie versprüht Spucke beim Sprechen, so wütend ist sie. Dann schubst sie Juliet und Juliet stolpert gegen Matt Dorfman. Der stöÃt Juliet auch und sie saust in Sarah Fishman. Lindsay beginnt zu schreien: »Psycho, Psycho«, und macht die kreischenden Messergeräusche aus dem Film nach, und plötzlich schreien alle »Psycho!« und schwingen ein unsichtbares Messer und kreischen und schubsen Juliet hin und her. Elody ist die Erste, die ihr ein Bier über den Kopf kippt, aber auch das machen alle nach; Lindsay bespritzt sie mit Wodka und als Juliet halb durchnässt und mit ausgestreckten Armen auf mich zustolpert und versucht, ihr Gleichgewicht wiederzugewinnen, schnappe ich mir einen halb vollen Becher Bier vom Fensterbrett und gieÃe ihn über ihr aus. Ich merke gar nicht, dass ich mit allen anderen schreie, bis ich heiser bin.
Juliet sieht zu mir auf, nachdem ich das Bier ausgekippt habe. Ich kann es nicht erklären â es ist verrückt â, aber es ist beinahe ein mitleidiger Blick, als täte ich ihr leid.
Auf einmal strömt mein ganzer Atem aus mir heraus und ich habe das Gefühl, als hätte mich jemand in den Magen geboxt. Ohne nachzudenken, gehe ich auf sie los und schubse sie, so fest ich kann. Sie stürzt nach hinten gegen ein Bücherregal, das beinahe umkippt. Ich habe sie auf die Tür zugestoÃen, und während alle immer noch kreischen und lachen und »Psycho« schreien, läuft sie aus dem Zimmer. Sie muss sich an Kent vorbeiquetschen, der gerade hereingekommen ist, wahrscheinlich um nachzusehen, was es mit dem Geschrei auf sich hat.
Einen Moment begegnen sich unsere Blicke. Ich weià nicht genau, was er denkt, aber es ist auf jeden Fall nichts Gutes. Ich gucke weg und mir ist heià und unbehaglich zu Mute. Alle sind plötzlich energiegeladen, sie lachen und reden über Juliet, aber meine Atmung beruhigt sich gar nicht wieder und ich spüre, wie mir der Wodka im Magen brennt und die Kehle wieder hinaufkriecht. Es ist stickig hier drin und der Raum dreht sich schneller als vorher. Ich muss an die frische Luft.
Ich versuche mich nach drauÃen zu drängen, aber Kent stellt sich vor mich und versperrt mir den Weg.
»Was sollte das denn?«, fragt er.
»Würdest du mich bitte vorbeilassen?« Ich bin nicht in der Stimmung, mich mit irgendjemand abzugeben, und ganz besonders nicht in der Stimmung, mich mit Kent und seinem bescheuerten Hemd abzugeben.
»Was hat sie dir getan?«
Ich verschränke die Arme. »Alles klar. Du bist mit Psycho befreundet. Ist es das?«
Er kneift die Augen zusammen. »Ziemlich origineller Spitzname. Hast du dir den ganz allein ausgedacht oder mussten dir deine Freundinnen dabei helfen?«
»Geh mir aus dem Weg.« Es gelingt mir, mich an ihm vorbeizuzwängen, aber er hält mich am Arm fest.
»Warum?«, fragt er. Wir stehen so nah beieinander, dass ich das Pfefferminz riechen kann, das er gerade gegessen hat, und das herzförmige Muttermal unter seinem linken Auge sehe, obwohl alles andere unscharf und verschwommen ist. Er sieht mich an, als wollte er etwas unbedingt verstehen, und das ist schlimmer, viel schlimmer als alles andere bisher â als Juliet oder seine Wut oder das Gefühl, dass mir jeden Moment schlecht wird.
Ich versuche seine Hand abzuschütteln. »Du kannst nicht einfach die Leute angrapschen. Du kannst mich nicht einfach angrapschen. Ich habe einen Freund.«
»Schrei mich nicht an. Ich versuche bloàâ¦Â«
»Hör zu.« Es gelingt mir, mich loszumachen. Ich weiÃ, dass ich zu laut und zu schnell rede. Ich weiÃ, dass ich hysterisch klinge, aber ich kann nichts
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