Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie
dagegen tun. »Ich weià nicht, was dein Problem ist, okay? Ich will nicht mit dir gehen. Ich würde in einer Million Jahren nicht mit dir gehen. Du kannst also aufhören, mir hinterherzurennen. SchlieÃlich bist du ein Typ, von dem ich noch nicht mal wissen sollte, wie er heiÃt.« Die Wörter fliegen heraus und es ist, als würden sie mir auf dem Weg nach oben die Luft abschnüren: Plötzlich kann ich nicht mehr atmen.
Kent starrt mich finster an. Dann beugt er sich noch weiter vor. Einen Moment glaube ich, er will mich küssen, und mir bleibt das Herz stehen.
Aber er hält nur seinen Mund an mein Ohr und sagt: »Ich durchschaue dich.«
»Du kennst mich doch überhaupt nicht.« Vor Wut zitternd trete ich einen Schritt zurück. »Du weiÃt rein gar nichts von mir.«
Er hebt die Hände, als kapitulierte er, und weicht zurück. »Stimmt, du hast Recht.« Er dreht sich weg und murmelt noch etwas.
»Was hast du gesagt?« Mein Herz hämmert so heftig, dass ich glaube, es explodiert gleich.
Er dreht sich um und sieht mich an. »Ich habe gesagt: âºGott sei Dank.â¹Â«
Ich wirbele herum und wünsche mir, ich hätte mir nicht Allys Pumps geliehen. Der Raum wirbelt mit mir und ich muss mich ans Geländer lehnen.
»Dein Freund ist übrigens unten und kotzt gerade in die Spüle«, ruft mir Kent noch hinterher.
Ich zeige ihm über die Schulter hinweg den Stinkefinger, ohne mich zu ihm umzudrehen, aber ich habe das Gefühl, er guckt gar nicht hin.
Noch bevor ich nach unten gehe, um nachzusehen, ob es stimmt, was Kent über Rob gesagt hat, weià ich es: Heute ist doch nicht die Nacht der Nächte. Die Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung ist so überwältigend, dass ich mich beim Gehen an der Wand festhalten muss und das Gefühl habe, die Treppe windet sich unter mir, als würde sie jeden Moment wegrutschen. Heute ist nicht die Nacht der Nächte. Morgen werde ich aufwachen und genau die Gleiche sein und die Welt wird genau gleich aussehen und alles wird sich gleich anfühlen und gleich schmecken und riechen. Die Kehle schnürt sich mir zu und meine Augen fangen an zu brennen und alles, was ich in diesem Moment denken kann, ist, dass das alles Kents Schuld ist, Kents und Juliet Sykesâ.
Eine halbe Stunde später verliert die Party langsam an Schwung. Drinnen hat jemand die Lichterketten von der Wand gerissen, die jetzt wie Schlangen auf dem Boden liegen und die Hausstaubmilben in den Ecken beleuchten.
Mir geht es inzwischen besser, ich bin fast wieder ich selbst. »Es gibt immer ein Morgen«, hat Lindsay gesagt, als ich ihr das mit Rob erzählt habe, und ich sage den Satz im Geiste wie ein Mantra immer wieder vor mich hin: Es gibt immer ein Morgen. Es gibt immer ein Morgen.
Ich verbringe zwanzig Minuten im Bad, wo ich erst mein Gesicht wasche und mich dann neu schminke, obwohl mir die Hände zittern und ich mich im Spiegel doppelt sehe. Jedes Mal, wenn ich michschminke, erinnert mich das an meine Mutter â ich habe ihr früher immer zugeguckt, wie sie sich über ihren Schminktisch beugte und sich zurechtmachte, um mit meinem Vater auszugehen â und das beruhigt mich. Es gibt immer ein Morgen.
Diese Zeit in der Nacht mag ich am liebsten, wenn die meisten Leute schlafen und es sich anfühlt, als gehörte die Welt ganz mir und meinen Freundinnen. Es ist, als existierte nichts auÃer unserem kleinen Kreis: Ãberall sonst herrscht Dunkelheit und Stille.
Elody, Ally, Lindsay und ich gehen. Auch andere verabschieden sich und die Menge dünnt langsam aus, aber es ist immer noch schwierig durchzukommen. Lindsay ruft dauernd: »Achtung, Achtung, bitte Platz machen, weiblicher Notfall!« Vor Jahren haben wir bei einem Jugendkonzert in Poughkeepsie entdeckt, dass nichts die Leute besser vertreibt als der Hinweis auf einen weiblichen Notfall. Offenbar halten das alle für ansteckend.
Auf dem Weg nach drauÃen kommen wir an Paaren vorbei, die in Ecken und an das Treppengeländer gepresst rumknutschen. Hinter verschlossenen Türen hören wir gedämpftes Gekicher. Elody hämmert mit der Faust gegen alle Türen und brüllt: »Popp nie ohne Präser!« Lindsay dreht sich um und flüstert Elody etwas zu, woraufhin Elody still ist und mir einen schuldbewussten Blick zuwirft. Ich will ihnen sagen, dass es mir nichts ausmacht â das mit Rob oder
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