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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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über meiner Schulter liegt und mir ihr Ellbogen kurz den Hals zudrückt.
    Â»Wo wart ihr denn?«, ruft sie. Ihre Stimme ist laut, sogar über der Musik und dem Lärm der Gespräche und dem Gelächter der anderen. »Ich hab euch überall gesucht.«
    Â»Dummes Gelaber«, sage ich und Ally fügt hinzu: »In Patricks Mund vielleicht.«
    Wir lachen darüber, dass Lindsay eine Labertasche ist und Elody betrunken und Ally neurotisch und ich unkommunikativ, und irgendjemand macht ein Fenster auf, damit der Rauch abzieht, und feuchte Regenluft dringt herein, die nach frischem Gras und solchen Sachen riecht, obwohl tiefster Winter ist. Ohne dass es jemand merkt, lege ich hinter mir die Hand auf die Fensterbank und genieße die eisige Luft und das Gefühl Hunderter Nadelstiche aus Regen. Ich schließe die Augen und nehme mir fest vor, diesen Augenblick nie zu vergessen: das Geräusch des Gelächters meiner Freunde, die Hitze so vieler Körper und den Geruch nach Regen.
    Als ich die Augen öffne, bekomme ich den Schreck meines Lebens. In der Tür steht Juliet Sykes und starrt mich an.
    Eigentlich starrt sie uns alle an: mich, Lindsay, Ally und Elody, die gerade Steve stehengelassen hat und zu uns rübergekommen ist. Juliethat ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich ihr Gesicht sehe.
    Es ist eine Überraschung, dass sie hier ist, aber noch überraschender ist, dass sie hübsch ist. Sie hat weit auseinanderliegende blaue Augen und ausgeprägte Wangenknochen wie ein Model. Ihre Haut ist ganz rein und weiß. Ich kann den Blick nicht von ihr abwenden.
    Die Leute rempeln sie an und rammen ihr die Ellbogen in die Seite, weil sie den Durchgang versperrt, aber sie steht einfach nur da und sieht uns an.
    Ally bemerkt es als Erste und ihr bleibt der Mund offen stehen. »Was zum …?«
    Elody und Lindsay drehen sich um, um zu sehen, was wir beide anstarren. Lindsay wird erst blass – sie sieht richtig ängstlich aus, was mehr als eigenartig ist, aber ich habe keine Zeit, mich darüber zu wundern, weil ihr Gesicht dann genauso schnell rot anläuft und sie aussieht, als würde sie jeden Moment jemandem den Kopf abreißen. Das passt eher zu ihr. Elody fängt an hysterisch zu kichern, bis sie vornüberkippt und sich den Mund mit beiden Händen zuhalten muss.
    Â»Ich glaub’s nicht«, sagt sie. »Ich glaub’s nicht.« Sie versucht »Psycho killer, qu’est-ce que c’est« anzustimmen, aber wir sind alle immer noch wie erstarrt und singen nicht mit.
    Wisst ihr, wie in Filmen manchmal jemand etwas Unangebrachtes sagt oder tut und dann die Platte zerkratzt und ganz plötzlich Totenstille herrscht? Ganz genauso ist es zwar nicht, aber ziemlich nah dran. Die Musik verstummt nicht, aber als nach und nach alle im Raum mitkriegen, dass Juliet Sykes – Bettnässerin, Freak und Voll-Psycho – mitten auf einer Party steht und vier der beliebtesten Mädchen der Schule böse Blicke zuwirft, verebben die Gespräche und ein geräuschvolles Flüstern erfüllt das Zimmer, das immer lauter und eindringlicher wird, bis es ein stetiges Summen ist und klingt wie der Wind oder das Meer.
    Juliet Sykes tritt schließlich von der Tür weg in den Raum herein. Sie kommt langsam und selbstbewusst auf uns zu – ich habe sie nie so ruhig gesehen – und bleibt knapp einen Meter vor Lindsay stehen.
    Â»Du Miststück.« Ihre Stimme ist ruhig und zu laut, als wollte sie absichtlich alle im Raum ansprechen. Ich hatte immer gedacht, ihre Stimme wäre schrill oder hauchig, aber sie ist so voll und tief wie die eines Jungen.
    Lindsay braucht einen Moment, um ihre Sprache wiederzufinden.
    Â»Wie bitte?«, krächzt sie. Juliet hat Lindsay seit der fünften Klasse nicht angeguckt, geschweige denn angesprochen. Und erst recht nicht beleidigt.
    Â»Du hast mich schon richtig verstanden. Du bist ein Miststück. Ein gemeines Biest. Ein schlechter Mensch.« Als Nächstes wendet sich Juliet Ally zu: »Du Miststück.« Zu Elody: »Du Miststück.«
    Sie blickt mich an und einen Moment lang sehe ich in ihren Augen etwas aufblitzen, etwas Vertrautes – und genauso schnell ist es wieder verschwunden. »Du Miststück.«
    Wir sind alle dermaßen überrascht, dass wir nicht wissen, wie wir reagieren sollen. Elody kichert erneut

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