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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Chlamydien-Infektion. Das ist nicht nötig. Sie gibt mir den Joint zurück.
    Ich nehme noch einen Zug. Ich fange bereits an, die Dinge verzerrt zu sehen, manche Gegenstände verschwimmen, andere werden schärfer, als spielte jemand mit dem Objektiv einer Kamera herum. Kein Wunder, dass die Leute immer noch mit Alex reden, obwohl er ein Flachwichser ist. »Ich weiß nicht.« Weil es leicht ist. »Ich schätze mal, an irgendjemand muss man sich abreagieren.«
    Die Worte sind ausgesprochen, bevor mir bewusst wird, dass sie wahr sind. Ich nehme noch einen Zug und gebe Katie den Joint zurück. Ich habe das Gefühl, als wäre alles verstärkt, als könnte ich die Schwere meiner Arme und Beine spüren und mein Herz pumpen und das Blut durch meine Adern strömen hören. Und am Ende des Tages wird das alles zum Verstummen gebracht werden, zumindest bis die Zeit auf ihrem Rad zurückspringt und wieder von vorne anfängt.
    Es läutet. Die Mittagspause ist zu Ende. Katie sagt: »Scheiße, Scheiße, ich muss wohin«, und versucht, ihre Sachen einzusammeln. Sie stößt aus Versehen die Altoids-Dose um. Das Päckchen mit dem Gras fliegt unter das Waschbecken und die Blättchen flattern und wehen überall herum. »Scheiße.«
    Â»Ich helfe dir«, sage ich. Wir gehen beide auf alle viere. Meine Finger fühlen sich taub und aufgedunsen an und es fällt mir schwer, die Blättchen vom Boden aufzusammeln. Das finde ich plötzlich wahnsinnig witzig und Katie und ich fangen beide an zu lachen. Wir lehnen aneinander und schnappen nach Luft. Immer mal wieder sagt sie »Scheiße«.
    Â»Beeil dich besser«, sage ich. Die ganze Wut und der Schmerz der letzten paar Tage hebt sich und hinterlässt ein freies, sorgloses und glückliches Gefühl in mir. »Sonst wird Alex sauer.«
    Sie erstarrt. Unsere Stirnen sind sich so nahe, dass wir uns fast berühren.
    Â»Woher wusstest du, dass ich mich mit Alex treffe?«, fragt sie. Ihre Stimme ist klar und leise.
    Mir wird zu spät klar, dass ich Mist gebaut habe. »Hab euch ein- oder zweimal nach der sechsten Stunde durch die Raucherlounge reinschleichen sehen«, sage ich unbestimmt und sie entspannt sich.
    Â»Du wirst es doch niemand sagen, oder?«, fragt sie und beißt sich auf die Unterlippe. »Ich will nicht …« Sie hält inne und ich überlege, ob sie wohl was über Brianna sagen wird. Aber sie schüttelt nur den Kopf und sammelt weiter die Blättchen auf, beeilt sich jetzt.
    Die Vorstellung, Katie Carjullo zu verpfeifen, weil sie mit Alex schläft, nach dem, was ich gerade gemacht habe – nach Mr Daimler –, ist zum Brüllen. Ich habe kein Recht, irgendwas zu irgendjemandem zu sagen. Ich rauche Gras auf dem Klo, ich habe keine Freunde, mein Mathelehrer hat mir die Zunge in den Hals gesteckt, mein Freund hasst mich, weil ich nicht mit ihm schlafen will. Ich bin tot, aber ich kann nicht aufhören zu leben. Die Absurdität all dessen wird mir in diesem Augenblick schlagartig bewusst und ich fange wieder an zu lachen. Katie ist jetzt ernst. Ihre Augen sind große helle Murmeln.
    Â»Was ist?«, fragt sie. »Lachst du über mich?«
    Ich schüttele den Kopf, aber ich kann nicht gleich antworten. Ich muss so sehr lachen, dass ich keine Luft bekomme. Ich hocke neben ihr, aber von dem Gelächter, das mich durchzuckt, zittere ich so, dass ich rückwärtskippe und mit einem lauten Plumps auf dem Hintern lande. Katie lächelt wieder.
    Â»Du bist verrückt«, sagt sie kichernd.
    Ich hole keuchend Atem. »Wenigstens verbarrikadiere ich mich nicht auf dem Klo.«
    Â»Wenigstens bin ich nicht schon nach einem halben Joint bekifft.«
    Â»Wenigstens schlafe ich nicht mit Alex Liment.«
    Â»Wenigstens habe ich keine miesen Schlampen als Freundinnen.«
    Â»Wenigstens habe ich Freundinnen.«
    So geht es hin und her und wir lachen uns kaputt. Katie muss so sehr lachen, dass sie sich zur Seite lehnt und auf einem Ellbogen abstützt. Dann lässt sie sich ganz an der Wand hinabgleiten, bis sie auf dem Fußboden des Klos liegt und wahnsinnig komische kläffende Geräusche macht, die mich an einen Pudel erinnern. Immer mal wieder schnaubt sie, wovon ich sofort wieder losprusten muss.
    Â»Ich muss dir was erzählen«, sage ich, sobald ich die Wörter herausbringe.
    Â»Alle mal herhören.« Katie tut so, als haute

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