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Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Titel: Wenn ein Reisender in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Italo Calvino
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als auch die Trauer über ihr Schwinden vermitteln; und nicht nur das, sondern auch - vielleicht ist dir das noch nicht aufgegangen, doch wenn du nachdenkst, wirst du erkennen, daß es so ist - auch meinen Drang, mich von diesem Hause zu lösen, dem Unbekannten entgegenzueilen, das Blatt zu wenden, weg von dem säuerlichen Geruch der Schoeblintsjia, um ein neues Kapitel anzufangen mit neuen Begegnungen vor den endlosen Sonnenuntergängen am Aagd, an den Sonntagen in Petkwo, auf den Festen im Palais du Cidre.
    Das Porträt eines Mädchens mit kurzgeschnittenem schwarzem Haar und länglich geformtem Gesicht hatte kurz aus Ponkos Handköfferchen geschaut, um rasch von ihm unter einer imprägnierten Wetterjacke versteckt zu werden. In der Kammer unter dem Taubenschlag, die bisher meine gewesen war und nun seine werden sollte, packte er seine Sachen aus und verstaute sie in den Schubladen, die ich eben erst leergeräumt hatte. Ich sah ihm schweigend zu, saß auf meinem fertig gepackten Koffer und klopfte mechanisch auf einen leicht abstehenden Beschlag. Wir hatten einander kein Wort gesagt außer einem gemurmelten Gruß. Ich verfolgte jede seiner Bewegungen und versuchte, mir möglichst genau bewußt zu machen, was hier geschah: Ein Fremder war im Begriff, meinen Platz einzunehmen, ich zu werden, mein Vogelkäfig mit den zwei Staren wurde zu seinem, das Stereoskop, der echte Ulanenhelm an der Wand, alles, was ich besaß und nicht mitnehmen konnte, ging über in seinen Besitz, ja, mehr noch, meine Beziehungen zu den Dingen, Orten, Personen wurden die seinen, so wie ich im Begriffe stand, er zu werden, um seinen Platz einzunehmen zwischen den Dingen und den Personen seines Lebens.
    Dieses Mädchen. »Wer ist dieses Mädchen?« fragte ich ihn, langte mit einer unbedachten Bewegung hin und griff mir die Fotografie im geschnitzten Holzrahmen. Es war ein Mädchen, das anders aussah als die Mädchen von hier, die alle runde Gesichter und semmelblonde Zöpfe haben. Erst in diesem Augenblick dachte ich plötzlich an Brigd, sah blitzartig vor mir, wie Ponko und Brigd miteinander tanzen würden am Sankt-Thaddäus-Tag, wie sie ihm die Wollhandschuhe stopfen und er ihr dafür einen Marder schenken würde, den er in meiner Falle gefangen hätte. .. »Laß das Bild!« schrie Ponko wütend und fiel mir mit eisenharter Hand in den Arm. »Her damit! Los!«
    »Zum Gedenken an Zwida Ozkhart«, hatte ich gerade noch unter dem Bild lesen können. »Wer ist Zwida Ozkhart?« fragte ich, und schon traf mich ein Fausthieb voll ins Gesicht, und schon wälzten wir uns auf dem Dielenboden im wilden Bemühen, einander die Arme zu verdrehen, die Knie in den Leib zu stoßen, die Rippen zu brechen.
    Ponkos Körper war schwer und knochig, hart stießen mich seine Arme und Beine, sein Haar, das ich zu packen versuchte, war borstig und steif wie ein Hundefell. Und während wir uns so umklammert hielten, hatte ich das Gefühl, in diesem Kampf vollziehe sich die Verwandlung, und wenn wir uns wieder erhoben hätten, wäre ich er und er ich; aber vielleicht denke ich das auch nur jetzt, oder du, Leser, denkst es, nicht ich, denn in jenem Moment hieß Kampf für mich Festhalten an meinem Ich, an meiner Vergangenheit, um sie nicht in seine Hände fallen zu lassen, sei's auch um den Preis der Zerstörung meiner Vergangenheit; ja, es war Brigd, die ich zerstören wollte, um sie nicht in Ponkos Hände fallen zu lassen, Brigd, in die verliebt zu sein ich nie gedacht hatte und auch in diesem Moment nicht dachte, aber mit der ich einmal, ein einziges Mal mich gewälzt hatte, in sie verklammert, fast wie ich jetzt mit Ponko mich wälzte, sie beißend, auf dem Torfhaufen hinter dem Ofen, und plötzlich wurde mir klar, daß ich sie damals schon einem künftigen Ponko streitig gemacht, ihm damals schon Brigd und Zwida streitig gemacht, ja, womöglich schon damals versucht hatte, etwas von meiner Vergangenheit auszureißen, um es nicht dem Rivalen zu überlassen, dem neuen Ich mit dem Hundefell, oder vielleicht war ich damals auch schon bestrebt, der Vergangenheit dieses meines noch unbekannten künftigen Ichs ein Geheimnis zu entreißen, um es meiner Vergangenheit oder Zukunft einzuverleiben.
    Die Seiten, die du liest, Leser, müßten dieses verbissene Raufen wiedergeben, diese dumpfen und schmerzlichen Schläge und wütenden Gegenschläge, diese Körperlichkeit im Ringen des eigenen Körpers mit dem eines anderen, diesen gezielten Einsatz der eigenen Schlagkraft und

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