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Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Titel: Wenn ein Reisender in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Italo Calvino
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anfängt, immer die gleiche Dichte an Erzählstoff vorfindet. Ja, wenn ich insgesamt überschaue, was ich bei der Haupterzählung alles beiseitelasse, sehe ich vor mir etwas wie einen Wald, der sich in alle Richtungen ausdehnt und so dicht ist, daß er kein Licht durchläßt, mit anderen Worten, einen viel reicheren Stoff als den, der für diesmal im Vordergrund stehen soll, weshalb es sein kann, daß meine Zuhörer sich ein bißchen betrogen fühlen, wenn sie merken, daß der Strom in tausend Rinnsale versickert und daß sie von den wesentlichen Ereignissen nur den letzten Nachhall und Widerschein mitbekommen, aber es kann auch sein, daß eben dies der Eindruck ist, den ich hervorrufen wollte, als ich zu erzählen begann, oder sagen wir: ein erzählerischer Kunstgriff, den ich anzuwenden versuche, eine Regel der Diskretion, die darin besteht, mich immer ein wenig unterhalb meiner erzählerischen Möglichkeiten zu halten.
    Was übrigens, genau besehen, das Zeichen für wahren, soliden und ausgedehnten Reichtum ist, denn hätte ich hier, hypothetisch gesprochen, nur eine Geschichte zu erzählen, so würde ich um diese eine Geschichte ein Riesenaufhebens machen und sie am Ende völlig verderben in meiner Sucht, sie partout ins rechte Licht zu rücken, aber da mir zum Glück ein praktisch unbegrenzter Vorrat an erzählbarem Material zur Verfügung steht, kann ich sie aus dem Abstand und ohne Eile handhaben, ja sogar einen gewissen Überdruß durchblicken lassen und mir den Luxus erlauben, mich in nebensächlichen Episoden und bedeutungslosen Details zu ergehen.
    Immer wenn die Gartentür quietscht - ich bin hinten im Schuppen bei den Aquarien -, frage ich mich, aus welcher meiner Vergangenheiten da jemand kommt, um mich hier draußen aufzuspüren. Vielleicht ist es nur die Vergangenheit von gestern und von diesem selben Vorort, der untersetzte Araber von der Müllabfuhr, der immer schon im Oktober loszieht auf seine Trinkgeldrunde von Haus zu Haus mit guten Wünschen fürs Neue fahr, weil, wie er sagt, die Trinkgelder im Dezember immer von seinen Kollegen eingesackt werden, so daß kein Sous für ihn übrigbleibt. Aber es können auch die ferner zurückliegenden Vergangenheiten sein, die Old Ruedi verfolgen und nun die quietschende Gartentür in der Impasse entdecken: Schmuggler aus dem Wallis, Söldner aus Katanga, Croupiers aus dem Casino von Varadero zur Zeit des Fulgencio Batista.
    Bernadette hatte mit keiner von meinen Vergangenheiten etwas zu tun; von den alten Geschichten zwischen Jojo und mir, die mich gezwungen hatten, ihn auf diese Art aus dem Verkehr zu ziehen, wußte sie nichts; sie glaubte vielleicht, ich hätt's wegen ihr getan, wegen dem, was sie mir erzählt hatte über das Leben, zu dem er sie zwang. Und wegen dem Zaster natürlich, der nicht zu verachten war, auch wenn ich noch nicht behaupten konnte, ihn schon in der Tasche zu haben. Es war das gemeinsame Interesse, das uns zusammenhielt; Bernadette ist ein Mädchen, das die Lage sofort kapiert: Aus diesem Schlamassel kommen wir entweder gemeinsam raus, oder wir lassen beide mächtig Federn. Sicher hatte Bernadette aber noch eine andere Idee im Kopf: Ein Mädchen wie sie braucht, um in der Welt zurechtzukommen, jemanden, der seine Sache versteht; daß sie mich geholt hatte, um Jojo loszuwerden, war auch, um mich an seine Stelle zu setzen. Solche Geschichten hat es in meiner Vergangenheit reichlich gegeben, und keine ist gut ausgegangen; deswegen hatte ich mich vom Geschäft zurückgezogen und wollte nicht wieder rein.
    Na ja, so kam das, wir waren gerade dabei, unsere nächtliche Irrfahrt anzutreten, er wieder proper angezogen und aufrecht hinten im Kabrio, sie neben mir auf dem Beifahrersitz, einen Arm nach hinten gestreckt, um ihn aufrecht zu halten, und ich wollte grad den Motor anlassen, da schwingt sie plötzlich das linke Bein über den Schalthebel und legt es mir auf mein rechtes. »Bernadette!« ruf ich erschrocken. »Was machst du da? Meinst du, das war der Moment?« Und sie erklärt mir, vorhin, als ich ins Zimmer geplatzt war, hätte ich sie in einem Moment unterbrochen, in dem man sie nicht unterbrechen dürfe; egal mit wem von uns beiden, aber sie müsse genau an dem Punkt jetzt weitermachen und bis ans Ende gehen. Dabei hält sie mit einer Hand weiter den Toten fest und macht mit der anderen meine Knöpfe auf, wir alle drei zusammengepfercht in dem winzigen Auto, auf einem Parkplatz im Faubourg Saint-Antoine. Die Beine gespreizt, in

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