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Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Titel: Wenn ein Reisender in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Italo Calvino
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Beine rausragten. Die Lösung wäre gewesen, ihm die Knie zu brechen, aber so sehr ich auch drückte und mit Fußtritten nachhalf, die steifgewordenen Beine rührten sich nicht, und als ich es schließlich doch schaffte, knickten Beine und Sack gemeinsam ein, und so war er noch schwieriger zu transportieren, und der Kopf ragte noch weiter raus als vorher.
    »Wann schaff ich's endlich, dich loszuwerden, Jojo?« sag ich zu ihm, und jedesmal wenn ich ihn umdrehte, hatte ich wieder sein blödes Gesicht vor mir, das flotte Menjoubärtchen, das pomadeglänzende Haar, den Krawattenknoten, der aus dem Sack schaute wie aus einem Pullover, ich meine so einen Pullover aus den Jahren, an deren Mode sich Jojo weiter gehalten hatte. Er war vielleicht etwas verspätet zu dieser Mode gekommen, als sie schon überall aus der Mode war, aber weil er als Junge die Typen beneidet hatte, die sich so ausstaffierten, von der Pomadefrisur bis zu den schwarzen Lackschuhen mit weißen Kappen, hatte er diese Aufmachung mit Erfolg gleichgesetzt, und als er dann selber erstmal Erfolg hatte, war er viel zu sehr damit beschäftigt, um zu merken, daß die tollen Typen inzwischen ganz anders aussahen.
    Die Pomade hielt gut; auch als ich kräftig auf seinen Schädel drückte, um ihn in den Sack zu stopfen, behielt die Frisur ihre kappenartige Rundung und teilte sich nur in kompakte Strähnen, die bogenförmig nach oben standen. Der Krawattenknoten war ein bißchen verrutscht; ich rückte ihn unwillkürlich gerade, als ob eine Leiche mit verrutschter Krawatte auffälliger wäre als eine adrette Leiche.
    »Wir brauchen noch einen zweiten Sack für über den Kopf«, meinte Bernadette, und wieder mal mußte ich zugeben, daß diese Puppe intelligenter war, als man bei ihrer Herkunft hätte erwarten sollen.
    Das Dumme war nur, daß wir einen zweiten Plastiksack in der Größe nicht finden konnten. Es war nur einer für Küchenabfälle da, so eine orangefarbene Mülltüte, die zwar ganz gut den Kopf verbergen konnte, aber wohl kaum die Tatsache, daß in dem Sack eine menschliche Leiche steckte mit einer Tüte über dem Kopf.
    Na ja, egal, wir konnten auf keinen Fall länger in diesem Keller bleiben, wir mußten uns Jojo vom Hals schaffen, bevor es hell wurde, jetzt fuhren wir schon ein paar Stunden lang mit ihm herum, er hinter uns sitzend wie ein Lebendiger, ein dritter Insasse in meinem Kabrio, und zu viele Leute hatten ihn schon gesehen. Die beiden Flies zum Beispiel, die leise nähergekommen waren auf ihren Fahrrädern und uns zuschauten, wie wir ihn grad in den Fluß kippen wollten (eben noch war der Pont de Bercy ganz verlassen gewesen) - na ja, also wir, Bernadette und ich, ihm gleich auf den Rücken geklopft, unserem Jojo, der da mit Kopf und Armen über die Brüstung hängt, und ich laut: »Kotz dich aus, mon vieux! Kotz dir ruhig die Seele aus dem Leib, daß du den Kopf wieder klarkriegst!« und rechts und links untergefaßt, seine Arme um unsere Schultern gelegt, schleppen wir ihn zum Auto zurück. In dem Moment kommt das Gas, das sich bei Leichen im Bauch aufstaut, mit lautem Getöse heraus; die beiden Flies haben sich krummgelacht. Ich dachte, voilä, der tote Jojo hat einen ganz anderen Charakter als der lebende mit seinen zimperlichen Manieren; als Lebender wäre er auch nie so selbstlos gewesen, zwei Freunden zu helfen, denen die Guillotine drohte, weil sie ihn umgebracht hatten.
    Na ja, wir machten uns also auf die Suche nach dem Plastiksack und dem Benzinkanister, und nun mußten wir nur noch die Stelle finden. Es klingt unglaublich, aber in einer Weltstadt wie Paris kannst du stundenlang suchen, wenn du einen geeigneten Platz brauchst, um eine Leiche zu verbrennen. »Bei Fontainebleau gibt's doch einen Wald«, sag ich zu Bernadette, die wieder neben mir sitzt, während ich den Motor anlasse. »Zeig mir den Weg, du kennst dich doch aus.« Ich dachte, wir würden vielleicht im Morgengrauen zwischen den Lastwagen mit dem Gemüse in die Stadt zurückfahren, und von Jojo wäre dann nichts weiter übrig als ein verkohlter stinkiger Rest auf einer Lichtung zwischen den Weißbuchen, genau wie von meiner Vergangenheit - ich meine, ich dachte, das wäre ein guter Moment, um mich davon zu überzeugen, daß alle meine Vergangenheiten endlich verbrannt und vergessen sind, als wären sie nie gewesen.
    Wie oft schon, wenn ich merkte, daß meine Vergangenheit mich zu belasten begann, daß zu viele Leute meinten, sie hätten eine Rechnung mit mir zu

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