Wenn es daemmert
erstaunlicher Klarheit gehandelt, während sie weinend auf dem Beifahrersitz seines Mercedes gesessen und minutenlang mit beiden Fäusten auf das Armaturenbrett geschlagen hatte. Er hatte bei Boots ihre Tabletten besorgt und sie dazu gebracht, sie zu nehmen. Er hatte alles für sie getan.
Sie schuldete ihm bereits über tausend Pfund, denn er war nicht bereit gewesen, mit ihr auf der Princes Street einzukaufen, weil es ihm dort zu voll war. Deshalb waren sie in die Boutiquen der New Town gegangen. Mina war nun gekleidet wie eine sehr elegante Geschäftsfrau mit dem Haarschnitt einer sehr flippigen Studentin.
»Ich komme in den nächsten Tagen sicher wieder an mein Geld«, sagte sie zuversichtlich. »Aber danke.«
»Wenn du etwas brauchst …«, sagte er und imitierte unbewusst seine Ehefrau.
Mina nickte. »Das ist sehr lieb. David, du bist doch Richter. Du kennst die richtigen Leute. Kannst du nicht etwas gegen diesen Brady unternehmen? Kannst du mir nicht helfen, diesen anderen Mann zu finden? Er hat mindestens zwei Menschen auf dem Gewissen, wahrscheinlich sogar drei! Und es muss doch auch eine Möglichkeit geben, gegen diese Menschenhändler vorzugehen!«
»Drei? Was meinst du …« David kippte seinen Whisky herunter. Mina sah, dass er am ganzen Körper bebte. Plötzlich schämte sie sich. Sie war egoistisch. Warum sollte eine Tochter mehr leiden als ein Bruder? Sie hatte ihm Unrecht getan. Margarets Tod ging ihm sehr nah.
»David, es tut mir leid, ich bin durcheinander. Ich sollte gar nicht mit dir darüber reden. Ich gehe einfach morgen zu Hopkirk. Er wird wissen, was zu tun ist. Man kann ihm doch vertrauen, hast du gesagt?«
»Hopkirk? Oh, ja«, antwortete er zerstreut. »Aber was war das mit den drei Menschen?«
»Wir vermuten, dass er auch Matthew Barnes ermordet hat. Dadurch ist die ganze Sache erst ins Rollen gekommen. Brady wusste wahrscheinlich davon und ist deshalb hinter mir her, denn gegen irgendwen musste er ja ermitteln. Es können ja nicht alle seine Vorgesetzten auch geschmiert sein, und die Presse …«
»Ja, sicher«, unterbrach er sie. »Und der dritte?«
»Ein Mädchen, das auch von dieser Agentur vermittelt worden ist, hat sich umgebracht.«
»Du meinst also, er ist moralisch verantwortlich.«
»Moralisch ist kein Wort, das ich in Zusammenhang mit so einem Mann benutzen würde, aber ja, das meine ich.«
David rieb sich das Kinn und starrte an die Decke. »Das ist alles …«
»Zu viel. Ich weiß. Entschuldige, ich hatte nur das Gefühl, ich müsste es jemandem erzählen.« Mina stand auf. David erhob sich ebenfalls und ging mit unsicherem Schritt wieder an die Bar.
»Rufst du Robert an und sagst es ihm?«, fragte sie ihn.
»Robert? Sicher.«
Sie wartete darauf, dass er noch etwas zum Abschied sagte, aber er blieb mit dem Rücken zu ihr vor seiner Bar stehen und bewegte sich nicht. Vielleicht weint er, dachte Mina, und will nicht, dass ich es sehe.
»Auf Wiedersehen«, sagte sie.
Er hob zum Abschied die Hand, ohne sich umzudrehen.
Der Taxifahrer sah sie zweifelnd an. »Sicher, Madam?«
Mina nickte und gab ihm das Geld.
»Eine Lady wie Sie hat doch hier nichts zu suchen. Nachts in Leith! Sie sollten auf mich hören. Ich kenne die Stadt besser als jeder andere.«
»Machen Sie sich keine Sorgen.« Sie lächelte ihn an und hoffte, dass ihre Augen vom Weinen nicht so rot und verquollen waren, wie sie sich anfühlten. Zur Sicherheit sah sie in den Spiegel an der Sonnenblende.
»Sie sehen super aus, wenn ich das so sagen darf. Deshalb sollten Sie auch nicht hier aussteigen. Sind Sie sicher, dass Sie die richtige Adresse haben? Ein paar Straßen weiter ist es nämlich …«
»Danke.«
Sicher war es Wahnsinn, was sie tat. Falls der Mann, der ihre Mutter getötet hatte, hier war und sie erkannte, würde er sie ebenfalls umbringen. Aber Cedric hatte gesagt, dass dieser Mann nicht nach Leith gefahren war, sondern in die Innenstadt. Pepa hatte sich hier von Cedric absetzen lassen. Wenn Pepa vor diesem Mann geflohen war, würde sie sich nicht irgendwo aufhalten, wo er war. Sie hatte außerdem von einer Frau gesprochen, die ihr helfen würde. Mina hoffte, Pepa zu finden. Aber wie? Sollte sie die Frauen, die hier auf Freier warteten, einfach ansprechen?
Einige der Frauen sahen schon zu ihr herüber. Sie stand an einer Ecke, die offenbar noch nicht zum Straßenstrich gehörte. Zwei Frauen tuschelten miteinander und zeigten auf sie. Mina ging los, direkt auf die beiden zu.
Als sie
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