Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Ritter Blaubart
konnte auch sie ihn erforschen. Mit der Hand unsichtbare Muster auf ihn malen. Er war schön. Schöner als jeder Mann, den sie kannte.
„Hat ein Gott dich geformt?“, flüsterte sie in die Stille.
Alain beugte sich zu ihr. „Von Gott oder Satan. Engel oder Sirene. Gleichviel ...“
Es schien ein Zitat zu sein, doch er sprach nicht weiter. Seine Lippen lagen wieder auf ihren, machten, dass sie sich vollkommen fühlte. Sie gehörte zu ihm, wollte die Ewigkeit mit ihm teilen.
Sie versanken ineinander. Nur ihre Lippen und Hände berührten einander. Amelie wünschte sich, der Moment möge nie vergehen. Gleichzeitig verlangte ihre Lust Erlösung. Sie zog ihn auf sich.
Er hob ihr Becken an, kniete sich halb unter ihre aufgestellten Beine. Amelie keuchte, als er in sie drang. Sie endlich erfüllte. Sie streckte sich ihm entgegen. Alain führte sie und trug zugleich einen Teil ihres Gewichtes. Er stützte ihr Becken. Seine Hände umschlossen ihren Po.
„Gleichviel“, murmelte sie, noch an das Zitat denkend, mit dem er ihr geantwortet hatte.
Seine dunkle Stimme führte das Zitat fort. „Nur gib mir, o Herrin, samtäugige Fee, du Wohlklang und Leuchten und Duft, das verschönert ich wähne, die hässliche Erde und leichter den Augenblick seh.“
Seine Augen funkelten im Licht der Kerzen. Sie erschienen ihr dunkler, animalischer. Auch seine Haut wurde dunkler. Oder war es ihre Wahrnehmung, die schwächer wurde? Sie löste sich in ihm auf. Ließ sich willig von ihm führen. Stoß für Stoß wuchs ihr Verlangen. Zugleich wehrte sie sich gegen die Erlösung. Mit aller Kraft versuchte sie, sich und ihn hinzuhalten.
„Entspann dich“, flüsterte er.
„Nein.“ Sie wollte nicht. Sie wollte, dass es andauerte. Dass sie sich nie wieder trennten. Sie sah in seine Augen, die fast schwarz waren. Etwas darin entfachte sie ganz und gar. Ihr Blut war Kerosin, brennend, vernichtend.
„Noch nicht“, stieß sie hervor.
„Oh doch.“ Er nahm sie härter. „Ich will es.“
Amalie gab ihre Spannung auf, verlor sich restlos in ihm. Der Orgasmus überwältigte sie. Er machte sie zu einem unbedeutenden Nichts. Aber es fühlte sich nicht schlecht an. Sie war nicht mehr, und doch war sie in Alain geborgen und er in ihr. Ihre Schenkel zitterten vor Anstrengung. Sie musste an die Frau mit den weißen Flügeln denken, die vor wenigen Stunden keine zehn Meter entfernt über dem roten Samthocker gelegen hatte. An ihr lustvolles Stöhnen.
Dieses Mal war es ihr Stöhnen, das laut durch den Raum hallte, hin zu der Decke, an der Eros mit seiner Begleiterin flog und ihr zuzwinkerte.
Sie erwachte in einem riesigen französischen Bett. Es war groß genug für vier Leute. Ihr Kleid lag ordentlich auf einem Stuhl neben dem Bettpfosten. Von Alain war nichts zu sehen. Sie lag allein in dem zehn Meter langen altmodischen Schlafzimmer. Auch hier prangten Bilder und Spiegel. Zwei Schwerter hingen übereinander auf kostbaren dunkelroten Halterungen. Schwere Samtvorhänge sperrten einen Großteil des Lichtes aus. Nur ein grauweißer Streifen zwischen zwei Bahnen kündete davon, dass es schon Vormittag oder Mittag sein musste.
„Alain?“
Er kam sofort in den Raum, als sie ihn rief, setzte sich zu ihr auf das Bett. Seine graugrünen Augen waren aufmerksam auf sie gerichtet, die dunklen Haare noch unfrisiert. Sie standen in alle Richtungen ab. Amelie griff nach einer Strähne und ließ sie durch ihre Finger gleiten. Er hielt ihre Hand fest.
„Guten Morgen, Prinzessin. Pierre bringt dir gleich Frühstück. Ich habe leider schon wieder zu arbeiten.“ Er gab ihr einen zärtlichen Kuss. „Möchtest du vielleicht fernsehen?“
„Warum nicht.“ Amelie war noch halb im Reich der Träume. Alles um sie herum war neu, aufregend wie die Bilder der letzten Nacht in ihrer Erinnerung. Sie roch den Duft von Kaffee.
Alain zog einen Samtvorhang ihr gegenüber zur Seite. Zum Vorschein kam ein Flachbildschirm, der die halbe Wand bedeckte. Er drückte ihr die Fernbedienung in die Hand und verschwand wieder.
Während Pierre ihr auf einem silbernen Tablett das Frühstück brachte, zappte Amelie die Programme durch. Pierre war gerade aus dem Raum, als sie einen kleineren Sender entdeckte. Einen Regionalsender. Es liefen Nachrichten. Der Untertitel sorgte dafür, dass sie sich an ihrem Buttercroissant verschluckte: Blaubart hat erneut zugeschlagen.
Amelie wagte es nicht, den Ton lauter zu stellen. Eine plötzliche Furcht überkam sie. Sie hörte dem
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