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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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eine Grenze überschritten, das gab er mir ganz deutlich zu verstehen.
    »Okay«, sagte ich schulterzuckend, »kein Problem.« Ich brachte sogar ein Lächeln zustande. Auf keinen Fall wollte ich, dass er glaubte, ich sei eifersüchtig …
    Sorry … aber ich frage mich gerade, ob ich hier wirklich weitermachen soll. Wirklich erzählen soll … vielleicht guckt sich das sowieso niemand an. Und wenn: Vielleicht langweile ich dich bloß mit meiner Gefühlsduselei. Ich meine … gibt es etwas Peinlicheres als Verliebte? Als eine unglücklich Verliebte, die um die Liebe eines anderen buhlt, der sie nicht erwidern wird? Na ja, also … ich war so besessen. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, ich fühlte mich krank und aufgerieben und ich sehnte mich nach nichts mehr als nach seinem Lächeln und seiner Berührung. Mann, das klingt echt so jämmerlich!

16
    Nein. Keine Geheimnisse mehr.
    Ich werde die Geschichte zu Ende erzählen. Das habe ich mir noch vorgenommen. Also werde ich auch diesen Teil erzählen:
    Die Idee mit dem Zimmer kam mir spontan, als ich sie alle draußen auf der Terrasse liegen sah. Ich ging den Flur hinunter und drehte den Knauf von Julians Tür. Leise knarrend wich sie zurück und ich stand in seinem Zimmer, umgeben von seinem Geruch, einer Mischung aus Duschgel und ihm. Ich schloss erst die Tür, dann die Augen und atmete ihn ein. Da waren seine Sachen, seine Kleider, nachlässig über einen altmodisch geblümten Ohrensessel geworfen. Meine Finger glitten über den Stoff seines Hemdes und ich stellte mir vor, dass er jetzt hier wäre. Meine Hände tasteten weiter, berührten seine Shorts, seine T-Shirts, während in meinem Kopf die Fantasien tobten. Ich merkte, wie mir von den Gefühlen schwindlig wurde, ich ließ mich auf sein Bett sinken. Legte meinen Kopf auf sein Kopfkissen, legte mich auf das zerknitterte Laken.
    Mein Blick schweifte durchs Zimmer. Das also sah er, bevor er einschlief, dachte ich und strich über das Laken, das seinen Körper bedeckte, seine nackte Haut … ich atmete den Geruch des Kissens ein und mein Herz zog sich zusammen. Als ich endlich wieder aufstand, fühlte ich mich traurig und – einmal mehr – unendlich allein.
    An diesem Abend kam endlich Vincent und reparierte die Stromleitung. Allerdings befand sich die Stelle nicht auf dem Dach, wie Julian am Telefon verstanden hatte, sondern neben der Garage.
    Als Julian ihn fragte, wie es zu dem Ausfall habe kommen können, runzelte Vincent die Stirn. »Da hat jemand herumgemacht.«
    »Jemand hat uns den Strom abgedreht?«, fragte ich, ziemlich sicher, mich verhört zu haben. Wir standen alle um Vincent herum, für ihn waren wir bloß ein paar verwöhnte Kinder reicher Eltern, die ihre Zeit mit Nichtstun verschwendeten. Und so, wie er uns gerade ansah, mit diesen zwei Augen, die in verschiedene Richtungen blickten, hielt er es sogar für möglich, dass sich einer von uns den Spaß mit dem Strom erlaubt haben könnte.
    »Hab ich doch gleich gesagt!«, fuhr Tammy auf. »Diese rumänischen Banden schrecken vor nichts zurück!« Obwohl sie sich ein Badetuch umgeschlungen hatte, konnte Vincent nicht ganz verbergen, dass er immer wieder mit seinen Blicken zu ihr zurückkehrte.
    Tammy schien das nicht zu stören, vielleicht bemerkte sie es aber auch gar nicht, weil sie längst daran gewöhnt war.
    »Ich weiß nicht«, meinte Claas, nachdem Vincent gegangen war, »das macht doch keinen Sinn. So viel Aufwand – wofür? Letztes Mal haben sie bloß einen iPod gestohlen« – und mit einem Blick zu mir fügte er hinzu – »und ein Bikinihöschen.«
    Danke, diese Bemerkung hättest du dir auch sparen können, Claas.
    »Fakt ist, wir haben wieder Strom!«, verkündete Julian gut gelaunt und schaltete die Poolbeleuchtung und alle Lichter im Wohnzimmer an, dass die Villa von weiter weg aussehen musste wie ein geschmückter Christbaum.
    »Und was machen wir zur Feier des Tages?«, fragte er unternehmungslustig.
    »Wie wär’s mit ein paar Seiten von unserem durchgeknallten Henry Paige?«, schlug ich vor.
    Das Mädchen in dem Video hat jetzt ein schwarz eingebundendes Buch in der Hand.
    »Ich hab es mitgenommen. Und ich lese ein paar Zeilen daraus vor, damit du vielleicht besser verstehst, was mit uns passiert ist.« Sie räuspert sich einige Male, bevor sie anfängt zu lesen. Sie holt Luft.
    Wer von uns hat schon den Mut, seinen eigenen Weg zu gehen?
    Von klein auf wird unser Wille von Autoritäten, seien es Eltern oder Lehrer,

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