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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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gebrochen. Wir werden gleichgemacht, das Individuelle in uns wird ausgetrieben. Wir haben zu funktionieren und Lehrern zu gehorchen, denen es oft selbst an Wissen und Weisheit mangelt.
    Und so vergessen wir, wer wir eigentlich sind, welche Talente und Kräfte in uns schlummern. Denn wüssten wir dies, würden wir uns gegen die Herrschenden wenden, würden sie von ihrem Thron stoßen, auf den sie glauben, ein Anrecht zu besitzen.
    Was gibt es Schlimmeres, als am Ende des Lebens auf all die ungelebten Visionen zurückzublicken, die wir in unserer Jugend einmal hatten?
    So dürfen wir nicht leben!
    Erheben wir uns! Erobern wir uns unsere Stärke wieder zurück, mit der wir einst geboren wurden! Leben wir nach unseren eigenen Gesetzen. Nur so werden wir glücklich!
    Lassen wir uns nicht vorschreiben, wen wir lieben dürfen!
    Wer außer uns selbst weiß und fühlt, wen er wirklich liebt?
    Niemand – außer dem Ziel der Liebe selbst – hat das Recht, einem diese Liebe zu verbieten. Weder die Familie, der Staat noch die Religion.
    Meine Bewunderung gehört »Dem Tier«, dem großen Aleister Crowley. Denn er lebte nach seinen eigenen Gesetzen und wollte die Welt hinter den Dingen sehen. Er schreckte nicht davor zurück, mit Drogen zu experimentieren, und war bereit, auch die Konsequenzen zu tragen.
    Ja, er starb, heroinsüchtig und krank und verarmt. Aber hatte er nicht ein großartiges, erfülltes, selbstbestimmtes Leben?
    In Crowleys Sinne habe ich diese Höhle eingerichtet. Hatte er seine Gemeinde in Sizilien, habe ich sie hier. Für nächsten Monat haben sich drei Freunde angesagt. Ich werde ihnen hier eine neue Welt eröffnen. Ich werden ihre Leben auf den Kopf stellen! Ich werde sie zu wahrem Sein erwecken!
    Ziemlich schräg, oder?
    Und ausgerechnet ich schlug vor, noch ein bisschen in den Memoiren dieses Irren zu blättern! Das hier und noch viel mehr haben wir gelesen … und schließlich sogar versucht, danach zu leben.
    »Ich glaube echt, der wurde umgebracht«, meinte Claas schließlich, »er hat den Aufstand gepredigt, Leute! Er hat recht. Aus Angst befolgen wir die Gesetze, die die Stärkeren erst zu Stärkeren machen. Hört euch das doch mal an«, er las vor: »Geht euren eigenen Weg! Liebt, wen ihr lieben wollt! Habt den Mut, euch zu nehmen, was ihr wollt! Das Recht liegt bei demjenigen mit dem stärksten Willen! Wer sich unterordnet, ist selbst schuld!
    Sobald ihr erst einmal die engen Grenzen, in denen man euch erzogen hat, hinter euch gelassen habt, steht euch die ganze Welt mit all ihren Möglichkeiten offen!«
    Claas sah auf mit einem Leuchten in den Augen. »He, Leute, wir sind alle versklavt, kapiert ihr das?«
    »Das mit den Grenzen stimmt«, pflichtete Tammy ihm bei, auf einmal begeistert, »man darf nicht auf die anderen hören, die einem immer alles ausreden wollen, was ihren Horizont übersteigt! Man darf sich nicht einreden lassen, wozu man nicht in der Lage sein soll. Die anderen haben doch keine Ahnung!«
    »Genau!« Claas nickte. »Die denken doch alle, ich hab sie nicht mehr alle, weil ich nach Oxford will! Ich sage mit unserem Freund Henry Paige hier: Grenzen sind da, um überwunden zu werden!«
    Ich musste an meine Mutter denken, die auch gegen den Willen meiner Großmutter, also ihrer Mutter, meinen Vater geheiratet hatte. Er war Melody O’Shea nicht spirituell genug. Zu praktisch. Aber meine Mutter hatte sich durchgesetzt.
    »Da ist was dran«, sagte ich also.
    »Was dran?«, fuhr Claas auf. »Mel, das ist die Wahrheit! Die absolut reine Wahrheit!«
    Er konnte sich schon immer für Ideen wahnsinnig begeistern und am besten, man pflichtete ihm bei, denn er hörte einem in so einem Zustand sowieso nicht zu.
    »Aber der Typ war trotzdem ganz schön abgedreht«, meinte Tammy, »auch wenn er recht hat, das klingt ja wie … wie in der Bibel!«
    »Eine Anti-Bibel!«, rief Claas und wir lachten.
    »Ich würde mich von der Zacharias nicht mehr so behandeln lassen«, meinte Julian schließlich nachdenklich. »Die hat mich auf dem Kieker, weil ich in der Siebten nicht mit ihrem Sohn befreundet sein wollte.«
    »Eben!«, sagte Claas. »Und man müsste den Politikern ganz anders gegenübertreten und auch der Polizei … ich meine, wir sind doch bloß von Angst beherrscht!« Er holte Luft. »In der Schule drohen sie einem mit schlechten Noten. Weil schlechte Noten ein verpfuschtes Leben bedeuten, oder, ist doch so?«
    »Stimmt!«, meinte auch Tammy. »Du bist dann auf jeden Fall ein Versager und

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