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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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nicht einmal wenigstens ein bisschen hatte wehtun können.
    »Mel, ich trage den Umhang, also ist das mein Dolch!« Claas schüttelte lachend den Kopf und schnappte sich das Buch. »Soso, Tammy hat also den Mond gezogen.« Er schob die Brille zurecht und las: »Das Erwachen der Gefühle, Grenzen müssen überschritten werden – aha – welche Gefühle denn?« Er grinste schief.
    Tammy warf ihr Haar nach hinten. »Keine Ahnung. Überhaupt, was soll das mit dieser Fragerei?« Sie funkelte mich an, dabei war es Claas, der sie bedrängte.
    »Ich hab keine Lust auf dieses blöde Spiel«, protestierte sie, »ihr seht ja, wohin das führt. Mel wird uns noch alle umbringen.«
    »He, Tammy, jetzt chill mal – niemand bringt hier irgendwen um«, sagte Claas besänftigend. Mit einer großspurigen Geste legte er den Arm auf die Lehne, wie es sonst nur Julian tat. »Mich würde interessieren, zu wem deine Gefühle erwachen.« Dabei sah er mich mit einem triumphierenden Lächeln an. Am liebsten hätte ich ihm vor allen eine gescheuert, stattdessen sagte ich: »Wir wissen doch längst, Claas, dass du unglücklich verliebt bist!«
    Ich bemerkte ein kurzes Flackern in seinen Augen.
    »Ach ja?« Nun wurde auch Julian neugierig. »In wen denn?«
    »In deine Schwester.« Wie ich diesen Satz auskostete! Ich stellte Claas bloß und ich rächte mich gleichzeitig an Julian.
    Eine Woge überrollte mich, ich weiß nicht, ob es Wut oder Freude war, aber es fühlte sich überwältigend an.
    Es heißt ja immer: Jeder Mensch hat zwei Seiten. In dieser Höhle jedenfalls kam meine hässliche Seite zum Vorschein. Und nicht nur meine.
    »Das ist doch völliger Schwachsinn!«, widersprach Claas viel zu schnell. »Melody, was erzählst du für einen Mist?«
    »Komisch, aber früher hieß ich für dich immer Mel. Färbt das ab von Tammy?«
    »Melody ist ja total paranoid!«, schaltete sich Tammy ein. »Die denkt, weil sie gut Karten mischen kann, kann sie hier eine Show abziehen! Sie will uns doch bloß gegeneinander aufmischen! Merkt das denn keiner von euch?« Ihre Stimme hallte schrill von den Wänden, echote in meinen Ohren.
    »Warum sprichst du eigentlich in der dritten Person mit mir?«, stieß ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Falls dir das überhaupt was sagt.«
    Tammys Augen verengten sich und ich rechnete bereits mit einer neuen Gemeinheit, die sie mir entgegenschleudern würde. Doch da sagte Julian: »He, Mädels, kommt mal wieder runter! Wir trinken noch was und hauen dann ab.«
    »Nein, nein, nein!« Claas war aufgesprungen. »Das ist mein Geburtstag!« Er wurde laut und stampfte mit dem Fuß auf. »Wir bleiben noch! Wir haben doch gerade erst angefangen zu feiern!«
    Ich bin mir nicht sicher, was ich wollte. In der Höhle zu bleiben erschien mir nicht sonderlich verlockend, aber die Vorstellung, in der Nacht – trotz Vollmond – den Weg hinunter zur Villa zu laufen, gefiel mir auch nicht. Erst recht nicht alleine. Plötzlich packte mich die Angst. Davor, was oder wer da draußen lauern könnte – denn hatten die Dinge um mich herum nicht gerade ihr wahres Gesicht offenbart? Mag sein, dass das nur an diesem Scheiß-Absinth lag. Aber was erwartete uns erst draußen in der Finsternis? Auf keinen Fall wollte ich jetzt zurückgehen.
    Ich versuchte mir also nichts anmerken zu lassen, gab mich gelangweilt, gähnte sogar demonstrativ. »Claas hat recht. Es ist schließlich sein Geburtstag.« Und zu Tammy gewandt sagte ich: »Los, dann lass mich eine Karte ziehen.«
    »Sicher?«
    »Mach schon!«
    Tammy mischte.
    Es ist ganz schön schwierig, so zu tun, als langweile einen alles. Sich auf keinen Fall anmerken zu lassen, dass mir mein Herz bis zum Hals klopfte. War dies die Stunde der Wahrheit, die, die Henry Paige prophezeit hatte? Zum Glück war ich ziemlich benebelt und ich konnte mich dazu bringen, still zu sitzen. Um keinen Preis dürfte ich Tammy einen Trumpf in die Hand geben, mit dem sie mich in die Ecke drängen könnte. Nein, ich wollte ihr auf keinen Fall das Gefühl geben, Macht über mich zu haben, mich mit ihren Fragen oder Interpretationen in Verlegenheit bringen zu können, wie ich eben Julian.
    Ich war fest entschlossen, ihr etwas vorzuspielen, egal, was passieren würde. Da hielt Tammy plötzlich inne.
    »Habt ihr das nicht gehört?«
    »Was denn?«, fragte jemand.
    »Das Kratzen!«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich eine Ratte!«
    Tammy schrie auf. »Ihhh!«
    »Ich dachte, du bist so tierlieb.«
    »Ich

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