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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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unserem Feinkostladen auch im Sortiment.
    »Für dich nur das Beste, Alter!«, sagte Julian und warf Chipstüten neben die Flaschen, ließ einen Blick über das Kerzenarrangement gleiten, das Tammy gerade vollendet hatte, und meinte: »Echt cool hier, oder?«
    »Mel, was meinst du?« Claas ließ sich in seinem schwarzen Cape auf die Couch fallen.
    »Ganz okay.«
    »Ganz okay?«, rief Claas und riss eine Chipstüte auf, »nur ›ganz okay‹? Das hier ist total geil! Der richtige Ort, um einen Achtzehnten angemessen zu feiern, finde ich.« Er sah zu mir rüber und warf sich eine Handvoll Chips in den Mund. »Oder?«
    »Jeder hat wohl seinen eigenen ›richtigen‹ Ort.«
    »He, habt ihr das gehört, Leute? Das ist typisch Mel! Volle Punktzahl in Deutsch, jedes Mal, stimmt’s, Mel?«
    »Hast du ein Problem damit?«, fragte ich angriffslustig.
    »Womit?«
    »Dass alles, was du gut kannst, ich noch ein bisschen besser kann.«
    Einen Moment sagte er nichts, bis ein Grinsen sein Gesicht verzog. »Unsere Melody, immer auf den Punkt, was?«
    In diesem Augenblick, ich weiß es, hätte ich mich umdrehen und gehen sollen. Warum ich es nicht tat? Was weiß ich! Vielleicht schwelte ja schon lange meine Wut – so wie seine – und ich wollte ihm endlich was heimzahlen.
    Also sagte ich: »Oh, wie war das mit der Turmkarte? Gerade zerbricht dein Ego … armer Claas!« Ich fügte einen mitleidigen Augenaufschlag hinzu, um ihn noch mehr zu provozieren. Sein Mund und Kinn verspannten sich sichtlich, was mich weiter anfeuerte. Jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit, Claas – hier, da hast du sie: »Tut mir echt leid, dass das mit dir und Tammy nicht funktioniert«, ich seufzte theatralisch, »die Hochzeitskarte hättet ihr beide ziehen müssen oder du hättest die zwei Kelche haben müssen, du weißt schon: Die Liebenden. Die Karte, die Julian gezogen hat.« Ich schoss meine Giftpfeile ab und merkte zu spät, dass sie auch mich trafen.
    »Was hat denn Julian damit zu tun?«, konterte er, »Meinst du nicht, du bringst da was durcheinander, liebe Melody?«
    Wir bohrten gegenseitig in unseren Wunden.
    »Jetzt bleibt mal locker!«, ging Julian dazwischen. »Claas hat heute Geburtstag!«
    »Ach ja, richtig.« Ich merkte, wie schnippisch ich klang. Claas und Tammy warfen mir Blicke zu, als wäre ich ihr gemeinsamer Feind. Schon ballten sich meine Hände, schon sammelte sich die Wut in meinem Bauch, ich war nah davor zu explodieren – da kam Julian zu mir, legte mir den Arm um die Schulter und gab mir einen Kuss auf die Wange. »Hey, jetzt lass mal, Mel.«
    Ich war baff. Glücklich überrascht? Hätte ich das sein sollen? Bevor ich irgendetwas erwidern konnte, sagte Claas: »Julian, dein Schampus in allen Ehren, aber rück mal was von diesem Absinth raus!«
    Julian grinste, stand auf und ging zur Wandnische mit den Flaschen. »Nur weil heute dein Geburtstag ist.«
    »Gib schon her!« Claas riss ihm die Flasche aus der Hand.
    »Hey Mann«, sagte Julian, »kotz uns bloß nicht auf die Polster!«
    »Wer sagt denn, dass ich kotze, hm?«, gab Claas zurück und goss uns allen in die Kelche aus Henry Paiges Kiste ein.
    Das Zeug schmeckte grässlich, aber wir tranken es, als wäre es ein Zaubertrunk. An den Wänden tanzten Schatten, dass es unsere waren, sahen wir nicht.

24
    An das, was dann passierte, wollte ich mich nie mehr erinnern. Aber so ist es wohl: Je mehr man etwas aus seinen Gedanken verdrängt, umso wilder und stärker wird es, es verfolgt uns in unseren Träumen und springt uns in dem Moment an, in dem wir nicht aufpassen.
    »Ich wüsste ja gern, was der Typ hier so getrieben hat, außer Tiere zu töten ...«, fing Julian nach dem zweiten Glas an. Er war dabei, hinter uns Henry Paiges Truhe weiter auszuräumen.
    »Sieh dir doch die Zeichnungen an, dann weißt du’s«, meinte Claas herablassend, doch plötzlich weiteten sich seine Augen. »He, Leute, seht mal!« Er deutete über Tammy an die Felsendecke, die an der Stelle eine Art Kuppel bildete, die uns noch nicht aufgefallen war. Und noch etwas war keinem von uns aufgefallen.
    »Wahnsinn! Es ist Punkt zwölf!«
    Dort oben leuchtete der Vollmond durch einen Schacht! Wir verstummten und spürten eine fremdartige Magie. Unbewusst hatten wir uns erhoben, standen im Kreis unter der Öffnung in der Höhle und blickten hinauf in das kalte Mondlicht. Mir war, als würde die ganze Kraft des Mondes durch diesen Tunnel im Felsen gebündelt. Als richte sich diese Kraft auf uns. Als würden wir

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