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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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dahinaus ins lautlose Universum gesaugt, so kam es mir vor, der Boden unter meinen Füßen schien sich zu entfernen und überhaupt fühlte ich mich schwerelos.
    Es war vollkommen still – bis auf dieses leise Tröpfeln. Und in diese Stille hinein sagte Claas: »Und wer nicht nach seinem Willen lebt und liebt, soll verdammt sein!«
    Stell dir ein gemeinsames Gebet vor. So fühlte es sich an. Irgendwann merkte ich, dass ich Julians Hand hielt. War es ihm bewusst? Sein abwesender Blick war nach oben zum Mond gerichtet. Ein Schauer rieselte über meinen Körper und ich spürte, wie dieses Feuer wieder in mir zu lodern anfing. Ich rührte mich nicht, wartete, ob Julian seine Hand wegziehen würde – da kehrte sein Blick aus dem Universum zurück. Aber nicht zu mir, sondern zu Tammy.
    Abrupt zog ich meine Hand aus seiner und in dem Moment hörte ich Claas mit merkwürdig hohler Stimme sagen: »Wer bei diesem Vollmond nicht nach seinem Willen liebt, soll sterben.«
    Hat das Mondlicht aufgeblitzt oder spielte mir mein absinthdurchtränktes Bewusstsein einen Streich? Niemand sagte etwas, während die unheimlichen Worte von den flackernden Wänden hallten. Ein Bann hatte sich auf uns gelegt.
    Mein Blick glitt über die Gläser mit den toten Föten und über die Tierknochen in den Nischen, als Claas’ Stimme wieder ertönte: »Der Mensch hat das Recht zu lieben, wie er will. Der Mensch hat das Recht, all diejenigen zu töten, die ihm diese Rechte zu nehmen suchen!«
    Und plötzlich stieg sie hoch in mir, diese schreckliche, unbändige Wut auf Tammy, die inzwischen Julians Hand festhielt.
    Es war wie von einer fremden Macht beherrscht zu sein.
    Auch die anderen wirkten seltsam entrückt, selbst Claas.
    Ich weiß nicht, wie lange wir so dastanden. Jedes Gefühl für Zeit und Raum war aufgehoben, ich schwebte, bis ich irgendwann bemerkte, dass die Kerzen ein ganzes Stück heruntergebrannt waren.
    Claas war derjenige, der den Bann brach. »Aufwachen!« Er schnipste mit den Fingern und holte uns so aus unserer Trance. Julian ließ sich auf eines der Polster sinken, Tammy und ich standen einander weiter gegenüber, unschlüssig, wohin mit unseren Blicken.
    »He, Leute, das ist ein Supergeburtstag! Komm, Mel, zeig uns noch ein paar Kartentricks!« Er klatschte in die Hände.
    Benommen trat ich aus dem Mondkreis und hörte mich sagen: »Das sind keine Tricks.«
    »Klar sind es Tricks«, widersprach Claas, »du musst dir nur mal beim Mischen zusehen.« Er goss uns wieder Absinth in die goldglänzenden Kelche ein. »Es ist mein Geburtstag, ich darf mir alles wünschen! Also, kommt schon«, forderte er uns auf und fläzte sich auf die Couch, »los, setzt euch!«
    Wir gehorchten ihm, ich weiß noch immer nicht, warum.
    »Wieso hast du das gesagt – das mit dem Willen?«, wollte Tammy wissen. Sie kam mir ungewöhnlich ernst vor.
    Claas zuckte grinsend die Schultern. »Henry Paiges Geist kam über mich! Er hat mich auserwählt, zu euch zu sprechen!«
    »Mann, zum Glück wirst du nur einmal achtzehn. Ist ja nicht auszuhalten mit dir!« Julian reckte sich auf der Couch.
    »Entschuldigung!«, antwortete Claas mit übertriebener Betonung. »Ich wusste ja nicht, dass ihr an so was glaubt!«
    »Und wer hat das von dem Turm gelabert?« Das kam von Tammy. Claas erwiderte nichts darauf.
    Sicher – zu jedem Zeitpunkt hätten wir die Höhle verlassen können. Im Nachhinein erscheint es so einfach. Aber es gab ja keinen Grund dazu – es war ja – noch – nichts passiert.
    Ich fing an zu mischen. Der Absinth hatte es in sich, ich fühlte mich in einem entrückten Zustand, als wäre ich in eine Art Cyberanzug gesteckt, der mich von dem Außen abschirmte, und zugleich mussten meine Befehle für meine Bewegungen und mein Denken ein zwischengeschaltetes elektronisches Gehirn durchlaufen und von ihm genehmigt und ausgeführt werden.
    Täuschte ich mich, hatten sich nicht ihre Gesichter verändert?
    Ihre Stimmen hallten seltsam von den Wänden und ich nahm kaum wahr, dass Julian bereits eine Karte gezogen hatte.
    »Die Acht Kelche!«, rief Claas euphorisch, als müsste das etwas Tolles sein. Ich wusste es besser. Und da las Claas auch schon vor: »Das Wasser der Emotion steht, ohne sich zu erneuern. Es beginnt zu modern. Du hast bereits zu viel von deiner Energie an Menschen verschwendet, von denen nichts zu dir zurückfloss. Du fühlst dich leer und ausgesogen. Anregung: Ziehe eine weitere Karte für das, was sich verändert, wenn du dich

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