Wenn es fesselt, ist es keine Freiheit
stirbt. Leider hat das nur selten den erwünschten Effekt. Es macht aber deutlich, in welcher verzweifelten Lage eine Familie steckt, wenn sie sich in dem Versuch, sich selbst zu retten, auf Mitglieder verlässt, die eine Rolle spielen.
Der Sündenbock
Dieses Familienmitglied ist das »schwarze Schaf«. Es übernimmt die »Schlechtigkeit« der ganzen Familie, damit sich alle anderen normal fühlen können. Das ist sein Versuch, die Familie zu retten. Unterbewusst legen die »Sündenböcke« es vielleicht sogar darauf an, in der Schule, zu Hause, bei der Arbeit oder gegenüber der Polizei in Schwierigkeiten zu geraten. Das ist dann so etwas wie ein letzter Versuch, Hilfe von außen herbeizurufen, um die Familie zu retten. In Anbetracht der ganzen Probleme, die er macht, sieht es vielleicht nicht danach aus, aber der Sündenbock kümmert sich genauso um die Familie wie alle anderen. Er ist bereit, sich selbst zu opfern, und das ist sein bester Einsatz zur Rettung der Familie.
Der Charmeur
Man kennt ihn auch als den »Clown« oder das »Maskottchen« der Familie. Den Charmeur mögen alle. Er unterhält alle und lenkt sie von ihren Problemen ab. Charmeure sind sehr liebenswerte Menschen, die meistens viel Humor besitzen. Sie tragen das Versagens-Schuld-Muster der ganzen Familie mit sich herum, aber zusätzlich noch eine Extradosis Minderwertigkeitsgefühle oder Unsicherheit. In der Familie mag man sie sehr, aber aufgrund der inneren Abspaltung, die mit dieser Rolle einhergeht, empfinden sie keine Liebe für sich selbst. Manchmal glauben sie, nur ihrer Unterhaltungstalente wegen geliebt zu werden. Maskottchen haben nicht nur mit Schuldthemen zu kämpfen, sondern werden – wie die Waise – auch von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt.
Die Waise
Die Waise, auch als verlorenes Kind bekannt, versucht zu verschwinden, sich sozusagen aufzulösen, um so die Familie zu retten. Das zeigt sich daran, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse ständig verleugnet, damit die anderen mehr bekommen. Ob das nun auf der physischen oder auf der emotionalen Ebene geschieht – in jeden Fall entsteht ein Gefühl von Verlust. Eine Waise wird vielleicht weggegeben, auf ein Internat geschickt oder zur Adoption freigegeben, um so vermeintlich die Familie zu retten. Die Waise erlebt Verlust, Trauer, Verlassenheit und Niedergeschlagenheit als Schlüsselemotionen. Ein verlorenes Kind gibt sich möglicherweise selbst auf oder es kompensiert, in dem es sich selbst im Leben vorwärts zwingt. Oder es ist depressiv, agiert wie ein »Trauerkloß« oder spürt ein tiefes Gefühl von Kummer in sich. All das sind Aspekte der Waisen-Rolle.
Kombinationen
Es gibt sicher einige Familienrollen, mit denen wir uns stärker identifizieren als mit anderen. Aber in unserem Bestreben, die Familie zu retten, haben wir sämtliche Rollen schon einmal gespielt. Mit all diesen Rollen kompensieren wir etwas. Sie halten uns von der Mitte fern und in der Familienverschwörung gefangen. Normalerweise steckt hinter jedem Problem, das später im Leben auftaucht, sowohl die Dynamik einer Rolle, die wir in der Familie gespielt haben, als auch die Familiendynamik aus Schuldgefühlen und Versagensängsten, für die wir uns selbst bestrafen. Ich habe häufig erlebt, dass ein Familienmitglied die Zicke oder den Mistkerl spielte, also die Sündenbock-Rolle, während der Rest der Familie in der Opferrolle feststeckte, um das irgendwie auszugleichen.
Guter Junge – braves Mädchen
Das ist eine Kombination aus Helden- und Opferrolle. Darin versuchen wir, so gut wie möglich zu sein, um der Familie zu helfen. Manchmal zeigt sich die Heldenrolle deutlicher, ein anderes Mal die Opferrolle. Aber in der Kombination »Guter Junge – braves Mädchen« sind beide enthalten. Diese Rolle kompensiert sowohl Schuldgefühle als auch Versagensängste im Hinblick auf die Familie. Manche Familien brauchen natürlich einen »bösen Jungen« – ein »unartiges Mädchen«. Dann wird ein Kind diese Rolle pflichtgemäß übernehmen.
Der Schwerarbeiter
Das ist eine weitere Kombination aus »guter Junge – braves Mädchen« und Opfer. Diese Rolle wird gespielt, wenn es mehr um persönliche Anerkennung, als um die Arbeit an sich oder um Wahrheit geht.
Die Waise – der Märtyrer
Wenn sich die Waise, also das verlorene Kind mit dem Märtyrer verbindet, dann kann das mit dem Tod enden – als letzten Versuch, die Familie zu retten. Ich möchte dafür ein Beispiel aus meinem
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