Wenn es fesselt, ist es keine Freiheit
wollte?«
»Ja, sie hat solche Sachen die ganze Zeit gesagt, aber damit hat sie überhaupt nicht gemeint, dass sie dich nicht wollte. Sie meinte nur, dass sie nicht gern so schnell nach der Geburt deiner Schwester schon wieder schwanger geworden wäre.« Ich dankte meinem Vater im Stillen für seine einfühlsame Erklärung und erzählte ihm von dem Handel, den ich mit Gott abschließen wollte: Er würde sich um die Familie kümmern, wenn ich ins Priesterseminar ging.
»Na, da muss Gott aber die falsche Adresse bekommen haben«, meinte mein Vater sarkastisch, denn aus seiner Sicht schien unserer Familie gar nichts mehr dagegen zu helfen, dass sie immer tiefer und schneller in ein Leidensloch schlitterte.
Damit begann ich, die Situation meiner Mutter zu verstehen und zu merken, dass sie durch meine Ankunft in ihrer Freiheit eingeschränkt worden war. Ich begriff auch, dass die Mutterliebe, die ich suchte, etwas war, das sie gar nicht geben konnte – sonst hätte sie es gemacht. Und was sie gab, nahm ich ihr nicht ab. Ich begann zu erkennen, dass ich selbst gekommen war, um meiner Mutter zu geben, was ich meinem Gefühl nach nicht von ihr bekommen hatte. Ich erkannte, dass ich mich entweder weiter über das beschweren konnte, was ich nicht von meiner Mutter bekam, und es weiterhin vermissen konnte. Oder ich konnte die Verantwortung übernehmen und realisieren, dass ich gekommen war, um meiner Mutter zu helfen und meine Seelengaben mit ihr zu teilen. Die hatte ich nämlich in dieses Leben mitgebracht, um ihr Leben besser und glücklicher zu machen.
Dies zu erkennen bedeutete einen riesigen Fortschritt in meiner reiferen Entwicklung, nicht nur im Hinblick auf meine Mutter, sondern auch in der Beziehung zu meiner Frau. Ich beklagte mich nicht mehr länger über das, was ich in meinem Leben oder in der Partnerschaft vermisste, sondern kümmerte mich darum, genau das selbst zur Verfügung zu stellen. Als ich meiner Mutter das Geschenk der Mutterliebe gab, konnte ich nicht nur meine mütterliche Liebe für sie spüren, sondern fühlte auch ihre mütterliche Liebe für mich. Und in meinen Workshops stellte ich fest, dass ich den Teilnehmern nicht nur väterliche, sondern auch mütterliche Liebe geben konnte. Das erfüllte mich sehr viel mehr, und auch die Teilnehmer fühlten sich sehr viel erfüllter.
Als Folge meiner neuen Erkenntnis geschah noch etwas Wunderbares. Wir, meine Mutter und ich, kamen uns sehr viel näher. Ich fühlte mich ihr mehr verbunden und spürte, dass ich ihr nun helfen konnte. Wir wurden gute Freunde. Ich überwand die letzten Reste der Vorstellung, meine Mutter sei auf die Erde geschickt worden, um sich um mich zu kümmern. Ich fühlte mich offener für meine Mutter als Mensch und freute mich über sie. Ich erkannte, wie ich im Mutterleib und als kleines Kind ihre Ambivalenz und ihr Gefühl, ihre Freiheit verloren zu haben, als Anklage gegen mich missdeutet hatte.
Als sich mein Verständnis noch vertiefte, erkannte ich auch, dass meine Mutter nie mich persönlich abgelehnt hatte, sondern dass sie damals einfach feststeckte und ihr Leben als berufstätige Frau zu verlieren glaubte. Ich stellte fest, dass ich es war, der sie abgelehnt hatte. Ich begriff, dass wir uns nur abgelehnt fühlen, wenn wir jemanden ablehnen. Ich begann mich erst in dem Augenblick unerwünscht zu fühlen, als ich ihre Erfahrungen so deutete, als habe sie mich nicht gewollt – anstatt zu merken, dass ihr Verhalten nur ihren Widerstand und ihren Schmerz im Hinblick auf das, was in ihrem eigenen Leben passierte, widerspiegelte.
Als ich die Tür öffnete und meine Mutter wieder in mein Leben ließ, spürte ich, wie sehr sie mich liebte und wollte und dass dieser ganze Vorfall mein Irrtum gewesen war. Ich erkannte, dass ich meine Mutter als willkommenen Vorwand benutzt hatte, um unabhängig zu werden und alles nach meinem Willen zu machen. Seither hat keiner, der das Gefühl unerwünscht zu sein wirklich heilen wollte, es behalten, nachdem er oder sie es mit mir geteilt hatte. Da ich ja sämtliche Fehler selbst gemacht und dann auch korrigiert hatte, fiel es mir leicht, anderen aus ihrem Leid herauszuhelfen und ihnen ihre Mutter und ihren Vater wiederzugeben, damit sie all die Liebe empfangen konnten, die ihre Eltern für sie hatten.
Als Folge der Heilung konnten diese Klienten ihre Beziehungen und ihre Erfolgsbilanz im Leben markant verändern, weil sie sich nun erwünscht wussten. Sobald sie das noch besser versteckte
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