Wenn es Nacht wird in Manhattan
er sie liebte. Was wäre … wenn er immer noch Christabel liebte? Hatte er Tippys Annäherungsversuchen nur nachgegeben, weil er Verlangen nach einer Frau verspürte, die er nicht haben konnte?
Solche Gedanken änderten alles innerhalb weniger Sekunden. Plötzlich wurde ihr eiskalt. Ihr Optimismus verschwand ebenso schnell wie Regenwasser in der Wüste.
Rory sah zerknirscht aus. “Tut mir leid”, sagte er. Dann ging er zu ihr und nahm sie in die Arme. “Es tut mir echt leid.”
Tränen traten ihr in die Augen. Sie war zu stolz, um ihnen freien Lauf zu lassen. Sie hielt ihren kleinen Bruder fest im Arm und fühlte sich betrogen. Vollkommen betrogen.
“Wir werden ein tolles Weihnachtsfest haben”, versprach sie ihm nach einer Weile und wischte sich verstohlen die Tränen aus den Augen. Dann lächelte sie ihn an. “Hast du Lust, Plätzchen zu backen?”
“Wirst du sie denn auch essen können?”, versetzte er schlagfertig.
Sie musste lachen. Sie und Rory waren immer fantastisch miteinander ausgekommen. Das war schon so seit der Zeit, da sie ihn von ihrer Mutter übernommen hatte.
“Damit dürfte wohl klar sein, wer kocht, nehme ich an. Sollte ich noch in der Küche sein, wenn Cash kommt, kannst du ihn ja unterhalten.”
Er warf ihr einen verschmitzten Blick zu und hob die Augenbrauen. “Keine Sorge, das mach ich schon. Ich muss nur meine Jonglierbälle und meinen Zylinder finden …”
Sie warf ein Küchentuch in seine Richtung, ehe sie sich umdrehte, um Mehl, Olivenöl und Milch zu holen. Sobald sie allein war, verdüsterte sich ihre Miene. Es war vollkommen ungewiss, ob Cash nach allem, was geschehen war, überhaupt kommen würde – trotz seiner Zuneigung zu Rory. Der vorige Abend war eine ziemliche Katastrophe gewesen, und das war allein ihre Schuld. Wenn sie Cash nicht unter Zugzwang gesetzt hätte, sodass er sich quasi verpflichtet fühlte, etwas gegen die sexuelle Spannung zwischen ihnen zu unternehmen, dann könnten sie immer noch befreundet sein. Von dieser Basis aus hätte sie ihn wirklich für sich gewinnen können. Jetzt waren ihre Träume vom Glück auf eine einzige Nacht voller Leidenschaft geschrumpft, die Cash mit all seinen Erfahrungen als das ansah, was sie für ihn war – ein One-Night-Stand.
Wenn sie doch nur die größten Fehler, die sie in ihrem Leben begangen hatte, ungeschehen machen könnte, überlegte sie. So blieb ihr nur die Alternative, in Zukunft vorsichtiger zu sein.
Gerade als Tippy den Tisch gedeckt hatte und begann, nervös an ihren Fingernägeln zu kauen, stand Cash vor der Tür.
Ihr Herz machte einen Sprung, als es klingelte. Rory schaltete die Wechselsprechanlage ein, und als er hörte, wer es war, drückte er schnell auf den elektrischen Türöffner. “Komm rauf!”, rief er begeistert.
Tippy trug eine bequem geschnittene smaragdgrüne Hose und ein weißes Top. Das Haar hatte sie mit einem grünen Tuch zusammengebunden. Sie wirkte auf lässige Weise elegant. Sie erwartete nicht, dass Cash sich in Schale werfen würde.
Und sie hatte recht gehabt. Er war wieder ganz in Schwarz – Hose, T-Shirt und Lederjacke. Er schaute sie an, ohne sie wahrzunehmen, und lächelte Rory ein wenig gezwungen an.
“Ich habe nichts Besonderes vorbereitet. Ein ganz einfaches Essen. Setz dich doch hin. Rory, bitte sprich das Gebet.”
Er tat wie ihm geheißen und unterdrückte einen Seufzer, als er verstohlen zwischen den beiden Erwachsenen hin und hersah.
Im Vergleich zur vorangegangenen Mahlzeit war es ein sehr wortkarges Essen. Tippy fühlte sich entsetzlich, denn sie hatte nicht nur ihr und Cashs Weihnachtsfest verdorben, sondern auch Rorys. Schweigend aßen sie, bis die Teller geleert waren.
“Ich habe ihr angeboten, Plätzchen zu backen”, erzählte Rory an Cash gewandt. “Aber sie hat gesagt, dass sie sie hinterher auch gerne essen würde.”
Cash grinste. “Bist du ein so schlechter Koch?”
“Eigentlich nicht”, erwiderte er. “Aber mit Brot und Kuchen habe ich nie Glück.”
“Ich auch nicht”, gestand Cash. “Früher hab ich mal ganz passable Kekse gebacken, aber inzwischen kaufe ich sie in Tüten und lege sie auf den Toaster, damit sie wie frisch gebacken schmecken.”
“Aber Tippy macht sie wirklich selbst – vom Teigrühren bis zum Verzieren.”
“Sie hat eben viele Talente”, meinte Cash beiläufig, ohne sie anzuschauen.
Das war auch ganz gut so, denn sie wurde knallrot. Hastig sprang sie auf, um den Kirschkuchen zu holen, den sie mit
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