Wenn es Nacht wird in Manhattan
liegen sieht, könnte man dich für eine Fee halten”, meinte er fasziniert.
“Eine ziemlich ramponierte Fee”, entgegnete sie und versuchte zu lachen.
“Ramponiert, von wegen. Rück ein Stück zur Seite.”
Verblüfft folgte sie seiner Aufforderung. Er schwang sich in die Hängematte und richtete sein Holster, damit es sich nicht in den Schlaufen verhedderte. Gähnend verschränkte er die Hände hinter dem Kopf.
“Das ist wirklich gemütlich”, meinte er und schloss die Augen. “Ich habe sie vor einem Monat aufgehängt und noch keine Minute Zeit gefunden, mich hineinzulegen. Wenigstens haben sie sich im Rathaus etwas beruhigt – jedenfalls fürs Erste.”
“Droht der Senator immer noch damit, euch alle hinauszuwerfen?”, wollte sie wissen.
“Selbstverständlich. Genau wie der Bürgermeister.” Er lächelte schläfrig. “Aber der Anwalt von Senator Merrill ist keiner von den Winkeladvokaten, die unrechtmäßiges Verhalten unterstützen. Er ist ein ehrenwerter Mann, und die Gesetze sind ihm heilig. Seitdem er mit dem Bürgermeister gesprochen hat, haben er und ich nicht mehr viel miteinander geredet.”
“Aber die Anhörung steht noch aus”, erinnerte sie ihn.
“Schon, aber wir bekommen unerwartete rechtliche Unterstützung, von der niemand außer mir etwas weiß.” Er sah sie an und lächelte geheimnisvoll. “Ich ermittle nämlich noch in einer anderen Sache, und dabei geht es um den Drogenhandel hier in der Gegend.”
Sie spitzte die Lippen. “Und jemand aus dem Ort ist darin verwickelt …?”
“Versuche nicht, mich auszuhorchen”, sagte er schläfrig. “Ich rede nicht über ungelegte Eier.”
“Wie du willst. Aber du wirst nicht zulassen, dass man dich oder deine Polizisten feuert, stimmt’s?”
“Stimmt.”
“Gut.” Sie glaubte ihm aufs Wort und ließ sich mit einem tiefen Seufzer zurückfallen. “Ich habe das noch nie zuvor erlebt”, murmelte sie. “Zum einen habe ich nie eine Hängematte gehabt, zum anderen habe ich mich nie sicher genug gefühlt, um mich zu Hause entspannen zu können.”
Seine Hand streichelte über ihr langes Haar. “Hast du eigentlich Freunde gehabt?”
“Nicht viele”, antwortete sie. “Eine Freundin, aber sie hatte Angst vor Sam und sie wusste, wie gemein meine Mutter werden konnte, wenn sie trank. Meistens bin ich zu ihr gegangen, bis meine Mutter beschloss, dass ich zu viel Spaß hatte.” Sie schloss die Augen und bemerkte Cashs aufmerksamen Blick nicht. “Weißt du, sie hat mich vom Tag meiner Geburt an gehasst. Sie hat mir immer gesagt, dass ich ein Versehen war, weil sie zufällig ungeschützten Sex hatte.”
“Wirklich nett, einem Kind so etwas zu sagen”, meinte er eisig.
“Mit acht Jahren habe ich gelernt, zu kochen und den Haushalt zu machen, während sie getrunken hat. Ich kann mich nicht erinnern, sie jemals nüchtern erlebt zu haben. Als sie dann Sam kennenlernte, ging sie über zu harten Drogen. Ich habe ihn gehasst”, sagte sie mit belegter Stimme. “Wenigstens hatte ich die Gelegenheit, mich zu rächen.”
Er drehte sich zu ihr. “Stanton hat der Polizei gesagt, dass du ihn angegriffen hast.”
“Das stimmt”, erwiderte sie knapp. “Irgendwann hatte ich genug Übung in Kampfsportarten, um ihm ein paar harte Schläge an seine empfindlichen Stellen zu versetzen, ehe er mich überwältigen konnte. Das hat sich richtig gut angefühlt. Ich hatte auch ein Balisong-Messer, aber ich bin nie dazu gekommen, es zu benutzen.”
Zärtlich berührte er ihr entstelltes Gesicht. “Du hast ihn zusammengeschlagen, und ich habe ich ihm eine Kugel ins Bein verpasst”, sagte er zufrieden. “Aber als ich gesehen habe, was er mit dir angestellt hat, habe ich mich geärgert, dass ich nicht auf eine andere Stelle gezielt habe.”
Mit der Fingerspitze zeichnete sie seine markanten Lippen nach. “Bei dir fühle ich mich wirklich sicher.”
Er zog die Augenbrauen hoch.
“Nicht so wie du glaubst”, murmelte sie. “Ich meine, ich habe keine Angst vor anderen Leuten, wenn du bei mir bist.”
“Gut zu wissen”, meinte er.
Sie rückte ein wenig zur Seite und zuckte zusammen, als sie ihre Rippen spürte. “Im Moment redet die ganze Stadt über die Senatorenwahl”, wechselte sie das Thema. “Mrs. Jewell glaubt, dass dieser Ballenger gewinnen wird.”
“Das glauben die meisten. Sie halten die Tage von Senator Merrill für gezählt – und das nicht nur wegen seiner Trunksucht. Es ist nicht sein Alter, sondern seine
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