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Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)

Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)

Titel: Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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nicht erkennen konnte.
    »Ich habe schon mit jemandem gesprochen.«
    »Ich weiß. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass die Leiche jetzt geborgen wird. Ich wollte vermeiden, dass Sie einen weiteren Schock erleiden.«
    »Oh«, sagte ich schrill. Instinktiv starrte ich durch das Bullauge auf die Beine, die sich jetzt auf dem Ponton versammelten.
    Er kam die Treppe hinunter in die Kajüte und trat zu mir. »Ich bleibe ein wenig bei Ihnen, wenn Sie wollen«, sagte er freundlich. »Hier.«
    Er hatte die Häkeldecke vom Sofa genommen, legte sie mir um, führte mich zum Sofa und ließ mich mit dem Rücken zum Bullauge Platz nehmen. Zum ersten Mal spürte ich, wie mir die Tränen in die Augen stiegen.
    »Alles in Ordnung, Genevieve«, sagte Carling. »Alles wird gut.«
    Er ist wirklich nett, dachte ich. Er hat ein freundliches Gesicht.
    Genau wie Dylan. Dylan hatte ein freundliches Gesicht. Er hatte ein Gesicht, das nur eine Mutter lieben kann, hatte er einmal gesagt. Er sah aus wie ein richtiger Rabauke, hatte eine kaputte Nase, weil er als Kind geboxt hatte, unförmige Ohren, einen rasierten Schädel – andererseits einen ungewöhnlich sinnlichen Mund und wunderschöne, freundliche Augen. Er war nicht gerade das, was man als gut aussehend bezeichnet. Vielleicht war das ein Segen, sonst hätte ich mich früher in ihn verliebt, und dann wäre alles anders gekommen.
    So wurde mir erst klar, wie besonders er war, als ich London verlassen hatte und es für eine Rückkehr zu spät war. Und jetzt, fünf Monate später, klang er nicht so, als hätte er noch Interesse an mir.
    Carling saß im Sessel und sah sich im Wohnraum um. Ich überlegte, ob er schon einmal auf einem Hausboot gewesen war.
    »Wollen Sie sich umschauen?«, fragte ich.
    »Hm? Oh.« Er wirkte eigentümlich verlegen, so als hätte ich ihn dabei erwischt, wie er sich etwas Verbotenes ansah. »Das ist schon in Ordnung. Ich dachte nur – wie hübsch es hier ist. Sie haben gute Arbeit geleistet.«
    »Danke.«
    »Wie kamen Sie darauf, auf einem Boot zu leben?«
    Ich lächelte ihn an. »Keine Ahnung. Das wollte ich immer schon mal. Ein Boot kaufen und es ein Jahr lang renovieren.«
    »Kostet wohl so einiges?«
    »Ich hatte ein paar Jahre einen guten Job in London und habe gespart.«
    »Und was machen Sie, wenn das Jahr um ist?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht bleibe ich auf dem Boot und suche mir hier in der Gegend einen Job. Oder ich gehe zurück nach London.«
    Vom Ponton aus waren Stimmen und Schreie zu hören. Sie zogen die Leiche heraus. Später erzählte mir Josie, dass vier Leute mit Wathosen im Schlamm und vier weitere auf dem Ponton gestanden hatten. Sie hatte dem Treiben aus sicherer Entfernung von der Aunty Jean zugesehen. Eine Plane war als Sichtschutz am Ende des Pontons befestigt worden, um die Presse fernzuhalten, die nach und nach den Parkplatz füllte. Cameron sprach mit den Journalisten, während sie Caddy neben meinem Boot aus dem Schlamm auf den Ponton zogen. Sie war dürr, wog wahrscheinlich höchstens fünfundvierzig Kilo, aber acht Leute mussten sie hochziehen.
    »Das wird Ihnen seltsam vorkommen, wenn Sie wieder an einen geregelten Arbeitsplatz zurückkehren, oder?«, fragte er. Seine Stimme klang jovial, vielleicht ein wenig zu sehr. Vermutlich wollte er mich ablenken.
    »Wahrscheinlich schon. Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird. Aber irgendwann wird mir das Geld ausgehen.«
    »Funktioniert der Kahn überhaupt? Ich meine – kann man damit fahren?«
    »Ich denke schon. Ich habe den Motor zwar noch nie aus probiert, aber das Boot hat einen. Doch meine Technikkennt nisse reichen nicht aus, um mich darum zu kümmern.«
    »Sie sollten auf Reisen gehen, bevor Ihnen das Geld ausgeht.«
    »Ja, vielleicht sollte ich das.«
    Es folgte eine betretene Pause. Ich hätte ihm gern ein paar persönliche Fragen gestellt und ihn nach seinem Job gefragt. Ich hätte ihn gern gefragt, ob er verheiratet war und was er in seiner Freizeit machte. Doch aus meinem Mund kam nichts. Angesichts dessen, was sich da draußen abspielte, hätte es bestimmt unsensibel geklungen.
    »Möchten Sie etwas trinken, Mr. Carling?«, fragte ich schließlich. »Einen Kaffee?«
    Er lächelte freundlich. »Das wäre toll, danke. Und nennen Sie mich Jim.«
    »In Ordnung, Jim.« Ich schob die Decke weg, ging zur Kombüse, füllte den Wasserkessel und stellte ihn auf den Gaskocher. Immerhin hatte ich heute Morgen die Küche geputzt. Wenn er schon Zeit auf meinem Boot verbrachte, sollte er es

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