Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
weißen Overalls auf den Knien herum und machten irgendwas. Das ganze Areal war wie bei Dreharbeiten von Scheinwerfern erleuchtet. Es war zwar schon helllichter Tag, aber so bewölkt, dass das Licht nötig war. Ich überlegte, worauf sie ihr Licht da unten richteten, und bei dem Gedanken daran schauderte mich. Der Raum zwischen Ponton und Bootsrumpf war in eine große blaue Plane gehüllt.
Die Ebbe hatte jetzt eingesetzt.
»Sie haben nichts mitgenommen«, sagte Sally. »Ich glaube, die Leiche liegt immer noch da.«
Zwischen all den Autos auf dem Parkplatz stand auch ein schwarzer Ford Transit, auf dessen Tür in grauer Schrift »Privatambulanz« stand. Am Eingangstor hielten zwei Polizisten Wache und achteten darauf, dass kein Fahrzeug auf den Parkplatz fuhr oder ihn verließ.
»Ich habe gehört, dass sie die Leiche bald wegschaffen. Bevor die Flut zurückkehrt.«
Wir beobachteten das Kommen und Gehen der Leute. Als sich die Straße mit Schaulustigen gefüllt hatte, hielt ein Polizist sie zum Weitergehen an. Dann kam die Presse und verbrachte den restlichen Morgen damit, herumzuschnüffeln und Fotos von allem zu machen, was interessant zu sein schien. Sally machte Brötchen. Josie aß zwei. Ich starrte sie an, weil ich keine Lust hatte, auf irgendetwas anderes zu starren. Schließlich legte ich mich auf das Sofa im Wohnraum der Souvenir und versuchte zu schlafen. Ich hörte sie an Deck reden und das Treiben im Hafen kommentieren. Ich versuchte die Geräusche auszublenden, aber sie drangen trotzdem bis zu mir durch.
Gefühlte Stunden später kehrte Basten an Deck der Souvenir zurück und sagte zu Sally, ich könne gehen, wenn ich wolle.
Ich ging an Deck, doch da war er bereits wieder verschwunden.
»Er hat gesagt, du kannst zurück«, sagte Sally. »Sie arbeiten zwar immer noch, aber du kannst zurück, wenn du das willst.«
Skeptisch sah ich zum Ponton und der Revenge hinüber, auf der sich die Leute in den weißen Overalls immer noch zu schaffen machten. Josie zog mich an sich und umarmte mich. Sie war groß, warm und weich. »Armes Mädchen«, sagte sie in mein Haar. »Soll ich mitkommen?«
»Nein, danke«, erwiderte ich. »Ich lege mich am besten hin und versuche, ein wenig zu schlafen. Ich bin so müde.«
Ich war müde, das stimmte, aber ich würde bestimmt nicht schlafen können. Ich musste allein sein. Ich hatte das Bedürfnis, allein zu sein, damit ich nachdenken konnte. Dann konnte ich überlegen, was zu tun war, ohne aus Versehen etwas zu verraten.
»Na schön. Ich werde später nach dir sehen.«
Ich verließ vorsichtig und mit zitternden Beinen die Souvenir . Ich hatte das Gefühl, krank gewesen zu sein oder zu lange geschlafen zu haben. Die Scheinwerfer beleuchteten auf dramatische Art und Weise den Tatort; ich konnte mich nicht erinnern, jemals so viele Leute am Hafen gesehen zu haben.
Eine junge Polizistin versuchte mich aufzuhalten, als ich mich meinem Boot näherte.
»Er hat gesagt, dass ich auf mein Boot darf, wenn ich das will«, sagte ich und zeigte auf Basten.
»Oh, das ist Ihr Boot? Lassen Sie mich das nur kurz überprüfen.«
Basten stand am Ende des Pontons und telefonierte mit seinem Handy. Die Polizistin machte auf sich aufmerksam und zeigte hinter den blau-weißen Absperrbändern auf mich.
Ich hörte, wie er sagte: »Ja, lass sie durch.«
Sie lächelte mir zu und bat mich vorzutreten. »Das muss ein Schock für Sie gewesen sein«, sagte sie, bevor ich die Laufplanke erreicht hatte.
»Ja, das war es auch«, pflichtete ich ihr bei. Ich hatte nicht die geringste Lust, das alles noch einmal durchzukauen.
»Nehmen Sie es sich nicht zu sehr zu Herzen«, war alles, was sie sagte. Sie hatte ein warmes Lächeln.
Ich wankte die Treppe zur Kajüte hinunter und hatte immer noch weiche Knie.
Ich nahm Dylans Handy, das nach wie vor dort lag, wo ich es vergangene Nacht achtlos hingeworfen hatte. Meine Hände zitterten, während ich das Menü bis zu den Kontakten durchging und den einzigen Namen wählte, der dort stand: GARLAND . Ich drückte die Anruftaste.
Es klingelte. Mein Herz schlug heftig bei dem Gedanken, dass ich gleich mit ihm sprechen würde.
»Ja?«
Oh, diese Stimme. Es war schon so lange her, trotzdem konnte ich mich sofort wieder an sie erinnern, alles war plötzlich wieder da.
»Ich bin’s.« Ich sprach leise und eindringlich. Ich wollte nicht riskieren, dass man mich hörte.
»Ja. Was willst du?«
Angesichts seiner unmissverständlichen Anweisung, ihn niemals
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