Wenn Frauen kochen
diese Art von Halbberühmtheit als Hindernis. Die Leute meinten immer, sie durch das Fernsehen schon zu »kennen«, und stellten dann enttäuscht fest, dass die echte Gus anders war.
Freundschaften zu schließen wurde zu einer echten Herausforderung. Natürlich gab es jede Menge Leute, die gern von sich sagten, sie seien enge Freunde der Moderatorin von Kochen mit Gusto! Aber Menschen zu finden, die sich wirklich für Gus interessierten, war schon deutlicher schwieriger.
Hannah Levine war anders.
Zum einen guckte sie nicht Fernsehen. Nicht im eigentlichen Sinne jedenfalls. Hannah hatte zwar nonstop mehrere Sender eingeschaltet: CNN, MSNBC und CourtTV. Aber Tragödien, Komödien oder Shows über schönes Wohnen oder Kochen? So etwas sah sich Hannah nicht an. Stattdessen verkroch sie sich in ihrem Arbeitszimmer - mit den Einbau-Bücherregalen
und den Fernsehbildschirmen - und schrieb einen Artikel nach dem anderen für Frauenmagazine. Manchmal trug sie dabei Jeans, aber meistens Jogginghosen und flauschige Pantoffeln. Eine Schale mit M&Ms stand immer griffbereit. Hannah war eine vielbeschäftigte Journalistin. Sie war spezialisiert auf Gesundheitsthemen und reagierte hypochondrisch auf alle Krankheiten, über die sie gerade schrieb. Dabei beunruhigte sie das sonderbare Räuspern eines Fremden - konnte das womöglich Keuchhusten sein? - genauso wie Auffälligkeiten ihrer eigenen Gesundheit. Und das Internet den ganzen Tag über als einzige Gesellschaft zu haben, verstärkte ihre Cyberchondria noch.
Deshalb hatte Hannah bei ihrer ersten Begegnung mit Gus auch so vorsichtig wegen des Himbeerpie nachgefragt. Sie hatte damals gerade einen Bericht über eine durch Kolibakterien hervorgerufene Epidemie geschrieben, bei der die Krankheitserreger durch frische Beeren übertragen wurden. Das interessierte sie weitaus mehr als Gus’ Karriere. Und in all den Jahren, die sich die beiden jetzt kannten, hatte sie sich offenbar noch immer keine von Gus’ Sendungen angeschaut. Gus bewunderte Hannah dafür.
Als sie ihre Freundin jetzt hereinwinkte, war die längst auf halbem Weg in die Küche. Gus hatte ihr bereits einen Kaffeebecher auf die Arbeitsplatte gestellt, einen Löffel auf eine Serviette gelegt und einen Teller mit paar Scheiben frischem Bananenbrot dazugestellt.
»Ich habe letzte Nacht einen Artikel darüber fertiggestellt, wie gefährlich es ist, schmerzende Füße zu ignorieren«, berichtete Hannah, nachdem sie einen ersten vorsichtigen Schluck aus der heißen Kaffeetasse getrunken hatte. »Stehst du während deiner Sendung die ganze Zeit, Gus? Ich hätte da ein paar Ideen, wie du es dir leichter machen kannst …«
»Keine Sorge - ab sofort werde ich meine Sendung sicherheitshalber gleich vom Rollstuhl aus moderieren«, unterbrach Gus. Als sie Hannahs besorgte Miene sah, schüttelte sie den Kopf und wies auf den Artikel in der New York Times . »Sieht so aus, als hätte ich meine besten Jahre hinter mir.«
Hannah überflog den Artikel. »Wenigstens wirst du erwähnt. Wenn ein Journalist sich so ausdrückt, bist du immer noch wichtig.« Sie zog eine Schnute, um Gus klarzumachen, dass sie nur scherzte.
»Ich fühle mich so … ach, ich weiß auch nicht.«
»Habe ich deshalb noch keine Einladung zu deiner Geburtstagsparty bekommen?«, fragte Hannah. »Bei jedem anderen würde ich annehmen, dass ich nicht auf der Gästeliste stehe. Aber bei dir mache ich mir Sorgen. Es sind nur noch ein paar Wochen bis zu deinem Geburtstag, und ich muss schließlich mein Outfit planen.«
Gus musste lächeln. »Warum trägst du nicht dein graues Mantelkleid?«, schlug sie vor. Es war dasselbe Outfit, das Hannah jedes Jahr trug, erworben bei einem der seltenen Einkaufsbummel mit Gus. Hannah hasste es, die Wohlfühlzone ihres Zuhauses zu verlassen. Und sie zog höchst ungern etwas anderes an als ihre bequeme Freizeitkleidung.
»Gute Idee.« Hannah nickte. Sie nahm es Gus nicht übel, wenn die sie aufzog.
Die beiden verfielen in vertrautes Schweigen, mampften Bananenbrot, schlürften Kaffee und trödelten ganz bewusst herum, um sich noch ein bisschen vor der Arbeit zu drücken. Es war das, was sie jeden Morgen taten, und sie beide liebten es.
Das Telefon klingelte. Es war erst acht Minuten nach sieben.
»Wer kann das sein?« Gus wusste, dass sie nicht im Studio
erwartet wurde, und bei ihr zu Hause wurde nur mittwochs gedreht. War vielleicht etwas mit Sabrina? Aimee schlief um diese Zeit bestimmt noch.
Sie schnappte sich das
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