Wenn Frauen Männer buchen: Roman (German Edition)
nächsten Nachmittag drei Minuten vor fünf an der Haustür läutete, atmete Samantha erleichtert auf. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen hatte sie schon den ganzen Tag über ein ungutes Gefühl gehabt, was die Teilnahme ihres Bruders an diesem Unterfangen betraf, doch sie hatte sich schlicht geweigert, über ein mögliches Misslingen des Abends nachzudenken. Stattdessen hatte sie Stunden darauf verwendet, sich für das Treffen angemessen herzurichten, und sich so von ihrer wachsenden Aufregung abgelenkt. Sie hatte ein Kleid gewählt, das sie sowohl zu einem gepflegten Dinner als auch in der Oper tragen konnte, ein Modell, das sie letztes Jahr gekauft hatte, als sie zusammen mit Hans ein Wochenende in Mailand verbracht hatte. Zu der Zeit war er noch öfter mit ihr irgendwohin gejettet. Nach Rom, Paris, London, New York – worauf sie gerade Lust hatten.
Das Kleid lag ziemlich eng an und modellierte jede Einzelheit ihrer Figur. Es war aus schwarzem seidigen Stretchmaterial und ziemlich weit ausgeschnitten, so tief, dass es fast ein bisschen unanständig aussah. Aber das kleine Bolerojäckchen, das darüber getragen wurde, vervollständigte das Ensemble zu einem Musterbeispiel zeitloser, edler Eleganz und betonte ihre Figur nicht mehr als nötig. Man sah kaum mehr als ein paar Quadratzentimeter Ausschnitt, und das war auch gut so. Schließlich wollte sie nicht mit ihrem Busen glänzen, sondern mit ihrer geschäftlichen Kompetenz.
Sie fühlte sich einigermaßen für den bevorstehenden Abend gewappnet, als sie zur Haustür ging, um Benedikt zu öffnen.
Zu ihrer Überraschung stand jedoch nicht ihr Bruder vor der Tür, sondern Babette.
»Was machst du denn hier?«, fragte Samantha.
»Wow, du hast dich ja in Schale geworfen. Du siehst toll aus. Ein bisschen bieder, wenn du mich fragst. Aber sonst richtig gut. Geht ihr noch aus?«
»Ich muss zu einem Geschäftsessen und hinterher in die Oper. Eigentlich habe ich Ben erwartet. Er will mich begleiten.«
»Was ist mit Hans?«
»Ist auf einem extrem wichtigen Golfturnier.«
»Schon wieder? An deiner Stelle würde ich allmählich anfangen, mir darüber Gedanken zu machen.« Babette ging an Samantha vorbei in den Salon. »He, ihr habt ein neues Bild. Ich werde verrückt. Ein echter Miró!«
»Pass auf, nicht anfassen. Sonst geht die Alarmanlage los.«
Babette zog die Finger zurück. »Ich vergesse immer, dass ihr hier einen richtigen Hochsicherheitstrakt habt. Aber so ist das eben bei den reichen Leuten.«
»Hans ist reich, ich nicht. Was treibt dich her?«
Babette wurde rot. »Ich muss mit dir über etwas reden. Es geht um Giovanni.«
»Wer ist Giovanni?«
»Der Kellner aus dem Battista .«
»Ach so. Was ist mit ihm?«
»Ich … na ja, ich bin mit ihm ins Gespräch gekommen.«
»O nein!«, rief Samantha aus.
»Ich war einsam und hatte Liebeskummer«, verteidigte Babette sich.
»Und jetzt? Bist du geheilt? Was ist mit Wolfi?«
»Wer ist Wolfi?«, fragte Babette unschuldig. Dann breitete sie die Arme aus. »Es ging mir mies, und ich konnteein bisschen Ablenkung brauchen. Und Giovanni war da. Eine ganz einfache Angelegenheit also.«
»Na, wenn das so ist, dann ist doch alles bestens. Wo ist das Problem?«
»Es hängt mit der Sache zusammen, die du erwähnt hast.«
»Dass er ein bisschen schwul aussieht? Wenn du ihn näher kennen gelernt hast – ich meine, kennen gelernt in dem Sinne, wie du es anscheinend meinst –, trifft das doch wohl nicht zu.«
»Das weiß ich ja eben nicht genau. Klar, er war wirklich süß, und im Bett klappte es gleich ganz prima. Also ist er auf jeden Fall schon mal gut auf Frauen zu sprechen. Aber ich konnte nicht vergessen, was du gesagt hast. Es gibt schließlich jede Menge Männer, die zweigleisig fahren. Du weißt schon, was ich meine.«
»Lieber Himmel, wie kommst du denn darauf? Kann ich mich nicht einfach mal geirrt haben? Ich bin schließlich nicht unfehlbar.«
»Wir waren bei ihm zu Hause, und da hab ich so ein bisschen bei ihm rumgeschaut.« Babette holte Luft. »Er hat mehrere CDs von Cher, und er hat Nagellack. Na gut, es war nur Klarlack. Aber Lack ist Lack.«
»Den könnte eine frühere Freundin von ihm dort gelassen haben. Und die CDs auch.«
»Das könnte rein theoretisch sein«, räumte Babette ein. »Allerdings hat er die CDs abgespielt. Und den Nagellack hatte er auf den Fingernägeln.«
»Oh«, sagte Samantha.
»Ja, oh«, wiederholte Babette.
»Ich sehe immer noch kein Problem«, meinte Samantha. Sie
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