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Wenn Frauen Männer buchen: Roman (German Edition)

Wenn Frauen Männer buchen: Roman (German Edition)

Titel: Wenn Frauen Männer buchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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gefangen genommen von der Wucht des Klangs. Er beugte sich gebannt vor und war ab sofort blind und taub für seine Umwelt, bis zu dem Moment, als die erste Szene begann. Eine Menge altertümlich kostümierter Leute betraten die Bühne. Sie lachten und liefen durcheinander, und Eddie betrachtete den Aufzug fasziniert, aber auch irritiert, bis zwei prachtvoll gekleidete Männer anfingen, abwechselnd zu singen. Eddie verstand kein Wort, bis ihm klar wurde, dass die Arie auf Italienisch vorgetragen wurde. Er schloss die Augen und überließ sich einfach dem Klang der Stimmen und der perfekt eingespielten Musik. In seinem Inneren rührte sich etwas, und Eddie spürte, wie etwas Wildes, Unbezähmbares in ihm aufbrach. Natürlich hatte er Musik immer gemocht, sie war ein Teil von ihm. Er war ein passabler Keyboarder, aber er hatte nie Gelegenheit gehabt, richtigen Unterricht zu nehmen. Er hatte sichalles mehr oder weniger unbekümmert selbst beigebracht. Seine Musiklehrerin hatte einmal zu ihm gesagt, dass er das absolute Gehör hatte. Das war in dem Jahr gewesen, bevor er von der Schule abgegangen war, weil es ihn angekotzt hatte, sich von Leuten schikanieren zu lassen, die keine Ahnung vom Leben hatten.
    »Nur einer von zehntausend hat es«, hatte seine Lehrerin gesagt.
    Eddie hatte später darüber im Internet gelesen und ihre Angaben bestätigt gefunden. Es war eine genetische Sache, man konnte nichts dafür. Es war nichts, was man lernen konnte. Entweder man hatte es oder man hatte es nicht. Abgesehen davon war es nicht immer angenehm. In Eddies Ohren hörten sich viele Lieder auf Live-Veranstaltungen schlichtweg falsch an. Ein halber Ton daneben oder einfach nur eine andere Tonhöhe reichten aus, um ihm den ganzen Spaß an der Musik zu verderben.
    Hier war das anders. Es war alles so live wie nur irgendwas, aber jeder Ton saß. Es war einfach perfekt. Und es war von einer so unbeschreiblichen, makellosen Schönheit, dass es Eddie die Tränen in die Augen trieb – schon allein deshalb, weil er sechsundzwanzig Jahre alt geworden war, ohne zu wissen, dass es so etwas wie das hier gab.
    Eddies angespannte Haltung lenkte Samanthas Aufmerksamkeit auf ihn. Erstaunt beobachtete sie, wie es in seinem Gesicht arbeitete. Seine Hände öffneten und schlossen sich, und sein linker Fuß klopfte im Takt der Musik. Sein Mund stand halb offen, und seine Lippen bewegten sich unbewusst, als würde er mit sich selbst reden. Die Augen hatte er geschlossen, und als er sie wieder öffnete, leuchteten sie in stummer Faszination. Er wirkte völlig entrückt.
    Sein Gesichtsausdruck offenbarte etwas an ihm, das Samantha vorher nicht gesehen hatte: eine hilflose, verletzliche Seite, die sie auf seltsame Weise anrührte.
    Wie ein Kind an Weihnachten, dachte sie.
    Sie selbst ging ganz gern in die Oper, aber es versetzte sie nicht in einen Rausch des Entzückens. Eddie musste ein echter Fan klassischer Musik sein.
    In der Pause wurde Wassili von Dmitri losgeschickt, um eine Runde Sekt an der Bar zu besorgen. Samantha wollte kein Spielverderber sein und trank ihr Glas zügig leer. Anschließend trällerte sie die Arie des Herzogs aus dem dritten Akt, La donna è mobile , und sofort fielen Wassili und Dmitri brummend ein.
    »Der Song kommt mir bekannt vor«, sagte Eddie.
    Samantha kicherte haltlos. Der Bursche hatte definitiv Sinn für Humor.
    Eddie selbst fand es weniger komisch, erst recht, als er kurz darauf das Lied in voller Länge hörte. Doch er hatte nicht viel Zeit, sich zu ärgern. Dafür war die Musik zu gut.
    Bis zum Ende des dritten Akts erwachte er nicht aus seiner Versunkenheit, und erst als Rigoletto besinnungslos über dem Leichnam seiner Tochter zusammensank und das Orchester zu grandiosen Schlussakkorden ansetzte, fand er langsam in die Wirklichkeit zurück. Er gab einen lang gezogenen Seufzer von sich.
    »Wow«, sagte er leise.
    »Hat’s dir gefallen?«, wollte Samantha lächelnd wissen.
    Eddie nickte scheu, dann suchte er ihren Blick. »Ich war vorher noch nie in der Oper.«
    Samantha war verblüfft. »Wirklich?«
    Sofort setzte er wieder seinen gewohnt nonchalanten Gesichtsausdruck auf. »Hatte bis jetzt einfach keine Zeit für diesen Kram.«
    Samantha wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.
    Dmitri und Wassili wollten nach der Aufführung nicht mehr mit ins Alte Bergwerk , weil sie morgen noch einen wichtigen Geschäftstermin hatten.
    Samantha hoffte, dass dieser Termin nicht bei der Konkurrenz stattfand. Es war Wochenende,

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