Wenn Frauen nicht mehr lieben
der Nachbarschaft sind gern gesehene Gäste. Es geht Irma nichts über Kinder, vor allem, wenn es Mädchen sind. Entsprechend kann sich ihre Tochter Eva breitmachen, wo sie will. Da Frauen es ohnehin so schwer im Leben haben, sollen sie von früh auf daran gewöhnt werden, sich das zu nehmen, was ihnen zusteht, ungeachtet dessen, was andere brauchen könnten.
Michael – das zweite Kind – hat das Pech, dem männlichen Geschlecht anzugehören. Irma will ihn so erziehen, daß er sich auf keinen Fall zum »Macho« entwickelt.
Während seine Schwester Eva alles tun darf, was ihr Herz begehrt, wird Michael »kastriert«. Seine Schwester darf die wildesten Spiele betreiben. Sie ist erst zehn und darf sogar ab und zu mit ihrem Nachbarsfreund im elterlichen Bett übernachten. Michael hingegen muß sich hüten, laut und wild zu sein oder spielerisch kämpferische Verhal-tensweisen an den Tag zu legen. Nun ist er neun und zeigt bereits die ersten Anzeichen einer Sprachstörung. Er wiederholt sich viel, eine Art des sprachlichen Wieder-kauens – was die Mutter selbstverständlich auf die Palme bringt. Michael hat endlich eine Waffe gefunden, mit der er sich rächen kann. Wen aber wundert es, wenn Michael unter diesen Umständen auch noch zum Stotterer wird?
Heute müssen sich kleine Mädchen bereits ertüchtigen.
Die zarte, weiche Seite ihres Wesens wird zugunsten von
»Power« und Durchsetzungskraft abgeschafft. Tatendrang, Wille und aggressives Kämpfen werden bei Mädchen gefördert, bei Jungen gehemmt. So toben die Mädchen –
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unterstützt von ihren feministisch orientierten Müttern – in der Nachbarschaft herum, während die Jungen brav und sittsam hinter ihren Kleincomputern sitzen oder im Garten Unkraut rupfen müssen. Oder in der guten Stube das Nähen, Stricken und Häkeln beigebracht bekommen, damit sie fit für die spätere Haushaltsführung werden. Es wäre nichts gegen diese Arbeiten einzuwenden, würde nicht das Bedürfnis des Jungen, sich auszutoben und sich im Spiel kämpferisch zu bewähren, damit gleichzeitig abgemurkst. Mütter wollen den Jungen weibliche Eigenschaften anerziehen, wundern sich dann aber, wenn Symptome auftreten, die eine Fehlentwicklung anzeigen.
Wenn ihr Sohn plötzlich Sprachstörungen oder sonstige Hemmsymptome entwickelt, die auf eine Aggressions-unterdrückung zurückzuführen sind. Jedes Kind sollte das Recht auf eine geschlechtsspezifische Erziehung haben.
Etliche Mütter sind immer noch so angesteckt von der antiautoritären Welle der siebziger Jahre, daß sie ihren Kindern beinahe gehorchen. Sie würden ihnen sogar die Spaghetti auf die Straße nachtragen, sollten die Kinder es sich wünschen. Kinder sind dann oft die Nummer Eins auf der Bedienungsliste der Frau. Die Mutter meint, sie sei die beste aller Mütter, weil sie stets für die Kinder da ist. Das Kind als goldenes Kalb oder Halbgott, das die Mutter narzißtisch aufwerten soll – weswegen man es entsprechend pflegen muß. Der Mann kann dann oft froh sein, wenn noch etwas Butter und Brot und ein Gastrecht für ihn übrig bleiben.
Indes klagen so viele Mütter unentwegt über die be-rühmten Schuldgefühle. Gefühle sind eigentlich dafür da, daß man sie ernst nimmt. In der Regel haben Gefühle – so wie Schmerzen – eine Funktion. Angst und Schuldgefühle sind Signalaffekte, Sie weisen auf etwas hin, um das wir uns kümmern sollten. Natürlich gibt es irrationale Schuld-141
gefühle – so wie im Kapitel über die unbewußte Feindseligkeit der inneren Mutter gegenüber beschrieben –, die man therapeutisch angehen kann. Aber es gibt auch eine realitätsgerechte Schuld, die man nicht wegtherapieren kann, so wie es von feministischer Seite immer wieder propagiert wird. Was alles an Schindluderei mit dem Wort Schuldgefühl betrieben und gleichzeitig unter den Teppich gekehrt wird, ist kaum zu glauben. Mütter können sich heute wunderbar beruhigen, indem sie Texte lesen wie etwa den folgenden, von Ute Erhardt und Wilhelm Johnen geschriebenen:
»… Schuldgefühle entstehen meistens aus Klischeevorstellungen darüber, was eine gute Mutter eigentlich ausmacht. Wir möchten Ihnen im folgenden einige Forschungsergebnisse vorstellen, die die Behauptung widerlegen, berufstätige Mütter würden sich nicht so gut um ihre Kinder kümmern wie Mütter, die zu Hause bleiben. ( … ) Es ist offensichtlich so, daß Eltern den Bedarf ihrer Kinder an Aufmerksamkeit überschätzen. Sie haben Klischeevorstellungen
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