Wenn Frauen nicht mehr lieben
hätte man dann so etwas wie den Prototyp weiblicher Aggression vor sich.« (Björquist)
Frauen scheinen sich bei indirekten Formen der Aggressionsäußerung sicherer zu fühlen. Ihre Aggression aber dann mit dem Argument zu entschuldigen, Frauen hatten ohnehin Angst, in die schwächere Position zu gelangen, und seien deshalb indirekt aggressiver, ist Augenwischerei. Die Indirektheit dient der Kaschierung ihrer Macht, einer Macht, die Frauen ausüben, zu der sie aber nicht stehen wollen. Zu beobachten ist, daß überall dort, wo Frauen sich in einer überlegenen Position befinden, sie ihre Machtposition offensichtlich in ähnlicher Form wie Männer mißbrauchen – mit raffinierten, undurchsichtigen Mitteln. Dies besonders in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kinderheimen, Altersheimen etc, überall dort, wo Menschen noch abhängiger von Rücksichtnahme und Respekt sind als im Alltag.
Frauen unterschätzen ihr eigenes Aggressionspotential.
Auch von feministischer Seite wird immer noch propagiert, die Gewaltlosigkeit der Frau. Frauen intrigieren und denunzieren, kolportieren, verraten oder halten wichtige Informationen zurück. All dies diskreter, geheimnisvoller, schlauer und raffinierter als Männer. Nur der Aggres-sionsausdruck oder die Form ist anders, weniger offen und direkt, heimtückischer, hinterlistiger. Hinsichtlich der 148
Aggressionsquantität und -qualität aber dürften die Frauen auch hier den Männern in nichts nachstehen.
Frauen sind dialogabhängig, hörabhängig, redeabhängig, während Männer eher handlungs- und autonomie-, d. h.
bewegungsabhängig sind. Frauen benutzen die Waffe der Symbolik, symbolische Handlungen, Sprache, Gesten, Mimik. Im Durchschnitt sprachgewandter als Männer, verfügen sie vor allem im privaten und im Nahraum über das weibliche Machtinstrument par excellence und besitzen damit die Potenz verbaler Gewalt. Wen wundert es, daß die Frauen genau mit dieser Waffe, vordergründig oder hinterrücks, in den Krieg ziehen?
Frauen harmonisieren den Nahraum über das Reden oder zerstören ihn über das Reden. Die Klatschkultur hätte ohne Frauen keinen Nährboden. Klatsch ist kein Gesellschaftsspiel – auch wenn es viele Frauen gern als solches betreiben –, sondern kann gravierende Folgen haben und Opfer ernsthaft schädigen. Der Ursprung der Klatschgewalt ist aber nur selten ausfindig zu machen, und die Täterin bleibt – wie bei Frauengewalt so oft –
verdeckt.
Einerseits die verbale Aggression, andererseits die Aggression durch Unterlassen, durch Schweigen, Ignorieren, Darüberhinwegsehen, Vorenthalten von etwas, das einem zusteht. Oder von etwas, auf das man angewiesen wäre, wenn etwa eine Mutter ihrer jugendlichen Tochter immer wieder die Schönheit anderer Frauen aus der Umgebung vor Augen hält, die eigene Tochter aber völlig ausläßt. All das sind typisch weibliche Formen aggressiver Betätigung. Natürlich variiert der Schweregrad von Fall zu Fall, und von Frau zu Frau. Die aggressive Qualität des Handelns oder Nichthandelns aber bleibt.
Frauen stellen sich lieber als Opfer dar. Und sogar den Männern gefällt es besser, Frauen als Opfer denn als 149
Täterinnen zu sehen. Glaube kann Berge versetzen. Aber die Stunde der Wahrheit wird auch für Männer einmal kommen. Dann müssen sie sich eingestehen, daß sie das Monopol für Aggressivität und Grausamkeit nicht mehr haben. Und müßten auch darauf verzichten, die »seligma-chende Liebenswürdigkeit« ihrer Mütter in die Frauen hineinzuprojizieren, um sich – zumindest in der Phantasie
– besser versorgt und weiterhin geliebt zu fühlen.
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10. Weibliche Übergriffe
Sally Mann tat es. Sie tat, was andere Mütter schon lange vor ihr mit ihren Kindern anstellten. Sie nahm ihren Fotoapparat und fotografierte ihre Kinder in allen Positionen, nur mit dem wesentlichen Unterschied. Die Kinder waren nackt. »Sally Mann macht mit den Nacktbildern ihrer Kinder Furore«, so eine Schlagzeile in einer Wirtschaftszeitung im Frühjahr 1997.
Man ist sich nicht einig, ob die Bilder ästhetisch oder anstößig sind. Ihre Fotoserie »Immediate family« – eine fotografische Kindheitschronik mit intimsten Einsichten –
machte die 46jährige amerikanische Fotografin zur höchstdotierten zeitgenössischen Fotografin. Für ihre Fotos werden heute bis zu 20000 Dollar hingeblättert.
Fotografien, auf denen die Kinder mit entblößten Genitalien, in der lasziven Pose einer angehenden Lolita oder mit unschuldig
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