Wenn Frauen nicht mehr lieben
daß sie nicht für die Umgebung der Augen zu benützen sei, da es sonst zu Hornhaut-verletzungen kommen kann. Frau S. tut es trotzdem. Eines Tages muß eine ihrer Kundinnen wegen einer Horn-hautverletzung notfallmäßig ins Krankenhaus eingeliefert werden. Eine Konsumentenschutzsendung befragt Frau S.
Ihre erste Antwort: »Das Gesetz bricht jeder schnell mal.
Man denke nur ans Autofahren …« Frau S. wendet das Mittel weiterhin an, mit dem einzigen Unterschied, daß die Kundinnen das Rezept für die Salbe jetzt selbst besorgen.
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11. Weiblicher Sadismus
»Daß zarte Frauenhände, die in den Parfümerien so geschickt und kunstvoll teure Duftflakons in hübsches Geschenkpapier einpacken oder am heimischen Schreib-tisch Klassenarbeiten korrigieren, zu extremen Gewalt-taten imstande sind, die denen des Mannes in nichts nachstehen, verwirrt in besonderem Maße.« (Bolte/Dimmler)
»Schwarze Witwen und eiserne Jungfrauen« ist der Titel eines neuen Buches von Christian Bolte und Klaus Dimmler beschrieben. Für einmal – »anders als in der üblichen Frauengeschichtsschreibung, die fast aus-nahmslos von den Glanz-, Liebes- und Erduld-
ungsleistungen historischer Frauengestalten kündet, handelt dieses Buch von ( … ) Gift- und Serien-mörderinnen, Attentäterinnen, Hexen, Femmes fatales und Monstres femelles«.
»Homo homini lupus«. Der Mensch ist ein Wolf für den Menschen. Sigmund Freud hat diesen Satz von Hobbes und Plautus übernommen, um die Grausamkeit des Menschen hervorzuheben. »… seine Aggression (am Nächsten) zu befriedigen, seine Arbeitskraft ohne Entschädigung auszunützen, ihn ohne seine Einwilligung sexuell zu gebrauchen, sich in den Besitz seiner Habe zu setzen, ihn zu demütigen, ihm Schmerzen zu bereiten, zu martern und zu töten.« (Freud) Die Greuel der Menschheit enthüllen den Menschen als wilde Bestie, schreibt er.
Wichtig ist hierbei. Der Mensch zerstört aus purer Lust an der Grausamkeit, das Tier nicht. Die tierische Aggressivität ist selbsterhaltend, die menschliche Aggressivität ist – wenn es sich um Sadismus handelt – destruktiv.
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Weder Auschwitz, Hiroshima, Ruanda, Yugoslawien noch Luxor können auf das biologische Tier in uns zurück-geführt werden.
Die Entstehung des Sadismus legt Freud in die anal-sadistische Phase. Die Stufe des Analsadismus beim Kind (der Entstehung grausamer Handlungen beim kleinen Kind) ist zeitlich der Entstehung des Selbstbewußtseins parallel. Erst wenn das Kind sein Bewußtsein von sich selbst als einer getrennten Person hat, kann es auch sadistisch sein. Das Kleinkind aber hat – insofern es klug und liebevoll gelenkt wird – die Chance, seine aggressiven Gefühle zu kanalisieren und sie mit Hilfe des Eros zu bändigen. Man kann sagen. Je weniger ein Kind geliebt und geführt wird (wobei Liebe heute oft mit Laisser-faire und Verwöhnung verwechselt wird), um so mehr ist es seinen sadistischen Trieben ausgeliefert. Und um so eher wird es diese später gegen andere Menschen richten.
Sadismus, ein zu starkes Wort für den Durchschnitt der Frauen? Ob bei Frau oder Mann: Der Begriff gilt für all die Fälle, in denen – bewußt oder unbewußt – beabsichtigt wird, einen Menschen direkt oder indirekt zu verletzen oder zu schädigen. Sicher kann eine Mutter, die ihre Kinder in aggressiver Form vor der bösen Nachbarin schützt, nicht als sadistisch bezeichnet werden. Sie will ja auch niemandem wehtun. Ihr Ziel ist nicht zu schädigen, sondern zu schützen. Sie agiert im Sinne der Selbst-erhaltung, indem sie ihren Brutpflegebetrieb auf gesunde Weise ausübt.
Als Kehrseite des Masochismus hat der Sadismus viel mit Leiden zu tun. Frauen, die viel leiden, jammern, klagen und andere beschuldigen, haben eine gut entwickelte masochistische – und sadistische Seite.
Vergessen wird eben oft, daß analog zur Idealisierung als Kehrseite der Entwertung der Sadismus zum Masochismus 156
bei Frauen dazugehört wie das Eigelb zum Eiweiß. Ein wiederholtes Klagen oder Beschuldigen – oft in dem typisch weinerlichen Tonfall – hat nicht selten eine stark ausgeprägte sadistische Komponente. Melodramatische, tränenreiche Szenen lassen Männerherzen erweichen – oft aber nicht einmal ahnen, daß es so etwas wie »sadistische Tränen« bei Frauen gibt. Oft ist das Ziel weiblicher Heulstrategien nämlich nur die mit getarnten Mitteln erzwungene Unterwerfungshandlung des teuren Ehegatten. Beim Mann besteht dann ein seltsamer Zustand von
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